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Ischa Soundclash!

■ Die DJ-Battle auf dem Schlachthofgelände war mehr Picknick als Rave

Wenn man sich am vergangenen Samstagnachmittag dem Schlachthofgelände näherte, mochte man ob der wirren Geräuschkulisse denken, der Freimarkt wäre vorverlegt worden. War er aber nicht, und wenn man das Kulturzentrum dann erreicht hatte, merkte man schnell, daß der dort stattfindende Soundclash wenig mit verordneter Volksfestfröhlichkeit gemein hatte.

Die BesucherInnen schienen sich freiwillig zu amüsieren, und der Sound hörte sich nur aus der Ferne chaotisch an. Schließlich waren es gleich fünf verschiedene DJ-Teams, die mit unterschiedlicher Musik um die Gunst des Publikums buhlten. Die Soundsystems waren allerdings so weise aufgebaut, daß man vor Ort wirklich jeweils nur die Musik hören konnte, zu der man gerade tanzen wollte.

Daß mit dem Tanzen allerdings war so eine Sache. Die Stimmung vibrierte zwar positiv, aber bewegen mochten sich nur wenige. Die meisten saßen bei einem Pläuschchen und einem Bierchen auf Biergartenbänken, ließen sich auf dem Rasen die Sonne auf den Bauch scheinen, oder bewiesen, daß man sich das Recht auf Rausch heutzutage mithilfe der obskursten Gerätschaften verschaffen kann.

Da half es nichtmal, daß das DJ-Team, das auf der Arena-Bühne für Dancehall-orientierte Reggae-, Ragga- und ähnliche jamaikanische Musik sorgte, sich mächtig ins Zeug legte und eins ums andere Male die Rahmen dessen sprengte, was man normalerweise unter „Platten auflegen“ versteht.

Zu ihren Platten toasteten die DJs und wer sonst noch wollte eigene Texte und ließen des öfteren Konzertatmosphäre aufkommen. Dafür ernteten sie mehr Applaus als Körpereinsatz. Immerhin eine gute Gelegenheit, den Nachwuchs zu fördern: Der jüngste Spontansänger, der allerdings durch seine familiären Bande ans DJ-Team nicht völlig unbeleckt gewesen sein dürfte, hatte das schulpflichtige Alter bestimmt noch nicht erreicht. Daß man den Knirps danach zum Flyer-Verteilen schickte, grenzte natürlich an Kinderarbeit.

Des weiteren hatten die Veranstalter alles getan, um den potentiellen TänzerInnen das Vergnügen so angenehm wie möglich zu gestalten. Für FreundInnen des Barfußtanzens wurde eine steinige Tanzfläche extra mit einem kunterbunten Sonnensymbol aus Filz überzogen, und wer sich vom vielen Barfußtanzen entspannen wollte, konnte dies im „Lustgarten“ tun, der aus einigen Gartenliegen, einem Planschbecken und anderen Möglichkeiten zur naßen Erfrischung bestand. Das fand großen Anklang: Die meisten waren mehr an Entspannung interessiert, als daran, auch etwas zu tun, wovon man sich entspannen müßte.

Wenig interessierte man sich außerdem für allzu Neues. Disco-Berry, einer der vielen DJs, stellte achselzuckend fest: „Was ich aufgelegt habe, das war den Leuten wohl zu schräg.“ Tatsächlich hörte man überraschend viel Chart-Kost.

Gähnend leer war der Soundclash zwar nicht, aber eine größere Beteiligung hatte man schon erwartet, nachdem die konzeptional ähnliche Technoclima-Aktion auf der letzten Breminale ein szeneübergreifender Erfolg gewesen war. Aber vielleicht war das gar nicht mal verkehrt.

Zumindest trug der fehlende Riesenandrang zur angenehmen Picknick-Atmosphäre bei. Denn so konnte man feststellen, daß die vermeintliche Tanzmusik auch ihren unterhaltenden Zweck erfüllt, wenn man ihr mit einem kühlen Getränk in der Hand und einem Stück Rasen im Nacken einfach nur zuhört.

Andreas Neuenkirchen

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