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■ KommentarIrren ist menschlich

Es soll ja Leute gegeben haben, die dem Gedanken an vorsichtigen Optimismus näherzutreten nicht abgeneigt waren. Ein Anfang sei gemacht worden, sagten sie, und der berühmte Silberstreif über diesigem Nordsee-Horizont in Sicht.

Auch diesen Leuten war natürlich der publicitygeile Politrummel auf der Internationalen Nordseekonferenz 1990 in Den Haag eher peinlich. Und die Kritik diverser Umweltschutz-Organisationen an „unzulänglichen Beschlüssen“ fanden auch sie nicht unberechtigt. Aber man dürfte nicht gleich zuviel erwarten, wenn Thatcher, Kohl und andere Köpfe sich dieselben über ökologische Belange zerbrechen. Trotzdem, sagten diese Leute, es geht voran.

Irren ist menschlich, und deshalb sei ihnen verziehen. Unverzeihlich ist jedoch, was das gestern veröffentlichte Nordsee-Kataster zu Tage förderte: Selbst in der Theorie sind die dürftigen Beschlüsse der Nordsee-Konferenz nicht eingehalten worden. In den norddeutschen Küstenstaaten fehlt es, je nach Bundesland in unterschiedlichem Maße, an den einfachsten gesetzlichen Maßgaben.

Verwaltungsvorschriften wurden nicht erlassen und Grenzwerte für Schadstoffeinleitungen nicht festgelegt. Oder wenn, dann wurden zehn Jahre alte Bescheide, die die Abwassereinleitungen eines Werkes regeln, nicht aktualisiert. Mit anderen Worten: Selbst wenn die rechtliche Grundlage existiert, die Nordsee und ihre Zuflüsse wenigstens etwas sauberer zu machen, wird sie nicht angewandt.

Nicht mal in der Theorie ist was passiert, was der Nordsee nützt. Und daß die Praxis erfreulicher sein könnte, wagen nicht einmal die vorsichtigen Optimisten zu hoffen.

Sven-Michael Veit

(Bericht auf Seite 24)

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