Irans Wächterrat beendet Wahlprüfung: Keine groben Fehler
Der Wächterrat im Iran schließt ohne Konsequenzen die Prüfung des Wahlergebnisses ab. Die iranische Staatsführung spaltet sich so weiter. Gegen die Reformbewegung wird hart vorgegangen.
BERLIN taz | Während seit zwei Tagen auf den Straßen Irans relative Ruhe herrscht, hallen spätabends von den Dächern die Stimmen von Hunderttausenden, die "Allah o akbar!" (Gott ist mächtig) und "Nieder mit dem Diktator!" rufen. Nach dem massiven Aufgebot von Revolutionswächtern, Bassidschi-Milizen und den "Antirebellionstruppen", die äußerst brutal vorgehen, muss jeder Teilnehmer mit schweren Verletzungen oder gar dem Tod rechnen. Doch die Protestbewegung besteht nicht aus Märtyrern, die Teilnehmer wollen Freiheit und ein besseres Leben.
Die Machthaber zeigen sich völlig unnachgiebig. Ja keine Schwäche zeigen, mit aller Härte durchgreifen, das ist die Devise, die offenbar Revolutionsführer Ali Chamenei den Truppen erteilt hat. So hat auch der ihm hörige Wächterrat durch sein gestriges Votum jede Hoffnung auf eine friedlich Lösung zunichtegemacht. Die Prüfung der Beschwerden unterlegener Kandidaten sei so gut wie abgeschlossen und habe keine gravierenden Unregelmäßigkeiten der Wahl zutage gefördert, sagte Ratssprecher Abbasali Kadchodai.
Die Demonstration der Stärke verdeckt jedoch den immer tiefer werdenden Riss, der durch die gesamte Staatsführung geht. Von 290 Parlamentsabgeordneten, die Präsident Ahmadinedschad am Dienstag zu einer Siegesfeier eingeladen hatte, waren lediglich 110 Abgeordnete der Einladung gefolgt. Auch Parlamentspräsident Ali Laridschani blieb der Feier fern.
Dass die Empörung über den eklatanten Wahlbetrug so hohe Wellen schlagen und die Fundamente des Gottesstaats ins Wanken bringen konnte, ist auf unterschiedlichen Faktoren zurückzuführen, die auf diese Krise einwirken. Da sind einmal die Millionen Demonstranten, allen voran Frauen und Jugendliche, die endlich eine Chance spüren, ihre Unzufriedenheit mit dem Staat zum Ausdruck zu bringen. Doch politisch betrachtet, ist diese Masse heterogen. Ein Teil will letztendlich das ganze Staatssystem abschaffen, der andere Teil will es reformieren. Alle haben sich zwar vorerst auf die gemeinsame Forderung nach Wiederholung der Wahl geeinigt, aber die Fortsetzung der Proteste wird sicherlich an einen Punkt kommen, an dem sich ihre Wege trennen werden. Dieser Punkt wird umso schneller erreicht werden, je härter und uneinsichtiger sich die derzeitigen Machthaber zeigen, wenn sie jeden Versuch, das System zu reformieren, zum Scheitern bringen. Dabei werden sich immer mehr aus der zweiten der ersten Gruppe anschließen. Denn auch die Reformwilligen werden über kurz oder lang zu der Überzeugung gelangen, dass jede Hoffnung auf Liberalisierung des Systems vergeblich ist.
Der zweite Faktor ist der unerbittliche Machtkampf, der hinter den Kulissen geführt wird. Inzwischen stehen sich zwei verhärtete Fronten feindlich gegenüber. Während Chamenei und Ahmadinedschad selbst unter den Konservativen immer weiter isoliert werden, basteln mächtige Männer, die allesamt in den vergangenen dreißig Jahren das Schicksal des Landes gelenkt haben, an einem Machtwechsel. Noch können sich Chamenei und Ahmadinedschad auf die militärischen und paramilitärischen Kräfte stützen, doch es ist längst nicht ausgemacht, dass diese Kräfte ihnen längerfristig die Treue erweisen werden. Gerüchte über Überläufer und Verhaftungen von Kommandanten der unteren Ränge häufen sich.
Wichtig ist zu wissen, dass auch die Gegenfront großes Interesse daran hat, das System zu erhalten. Leute wie Expräsident Haschemi Rafsandschani oder der frühere Parlamentspräsident Karrubi gehören zu den Architekten dieses Systems und tragen für die vergangenen Jahrzehnten Verantwortung. Auch der unterlegene Kandidat und ehemalige Ministerpräsident Mussawi gehört zum System. Dass er an die Spitze einer Bewegung geraten ist, die zumindest zum Teil Forderungen stellt, die weit über das System hinausreichen, macht die ganze Bewegung problematisch. Erstaunlich genug, dass er so lange standhaft geblieben ist. Er werde sich dem Druck der Regierung nicht beugen und weiterhin die "Rechte des iranischen Volkes einfordern", erklärte er am Donnerstag.
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