: Iraks Opposition zeigt Einheit gegen Saddam
■ Auf dem Koordinierungskongreß in Beirut wurden keine konkreten Maßnahmen beschlossen/ Abschlußkommuniqué betont Willen zur Demokratisierung des Landes/ Keine Exilregierung gebildet/ Differenzen unter der Oberfläche
Beirut/Teheran (dpa/afp) — Mit einer eindrucksvollen Demonstration der Einmütigkeit im Widerstand gegen das diktatorische Regime von Saddam Hussein ist am Mittwoch das dreitägige Treffen der irakischen Oppositionsgruppen in Beirut zu Ende gegangen. Die unterschiedlichen Zielsetzungen der verschiedenen religiösen und säkularen Fraktionen des irakischen Widerstands — von den schiitischen Fundamentalisten über prowestliche Gruppen und Kommunisten bis zu den Kurden — bei einem möglichen Umsturz im Irak dürften jedoch nicht auf sich warten lassen. Das erste Treffen der irakischen Opposition seit 23 Jahren in Beirut jedenfalls endete mit stehend dargebrachten, gemeinsamen Anti-Saddam-Gesängen der über 300 Delegierten und viel Hoffnung auf künftige Unterstützung auch aus dem Ausland.
In seinem Abschlußkommuniqué rief der Kongreß zum Sturz des irakischen Regimes auf und verkündete Resolutionen zur Demokratisierung des Landes. Auf konkrete Schritte konnten sich die Delegierten jedoch nicht einigen. Daher gilt der Kongreß bei Beobachtern und einigen Teilnehmern als gescheitert.
Im Abschlußkommuniqué des Beiruter Kongresses wurde die irakische Armee aufgerufen, „sich dem Volksaufstand anzuschließen“ und die Einheit des Iraks durch den Sturz von Saddam Hussein zu wahren. „Alle Folgen der Besetzung Kuwaits durch das irakische Regime“ sollten beendet werden, auch die Besetzung eines Teils des Iraks durch fremde Truppen. Die mehr als 300 Teilnehmer, die etwa zwanzig verschiedenen Gruppierungen der Opposition angehören, sprachen sich für eine Übergangsregierung der nationalen Einheit aus. Diese solle die Folgen der Diktatur und vor allem die politischen und religiösen Diskriminierungen beseitigen sowie das Kurdenproblem regeln. Grundlage dafür soll das Abkommen vom 11. März 1970 sein, in dem der kurdischen Minderheit ein Autonomiestatus zugesichert wurde. Freie und direkte Parlamentswahlen sollen organisiert werden.
Der einzige konkrete Beschluß in Beirut war die Gründung von Kommissionen, die international Unterstützung für die Opposition gewinnen sollen. Die Bildung einer Exilregierung oder eines Exilparlaments wurde abgelehnt. Auch die Hoffnung einiger Delegierter, daß zumindest die militärischen Aktionen des Aufstandes koordiniert würden, wurden enttäuscht. Einigung konnte nicht einmal über Ort und Zeitpunkt der nächsten Tagung erzielt werden.
Unter der Oberfläche wurde Mißtrauen unter den verschiedenen Gruppierungen deutlich. Während der Bruder des Schiitenführers, Hodschatolleslam Abdul Asis el Hakim, versicherte, seine Bewegung wolle kein schiitisches Regime errichten, sagte ein Vertreter der „Obersten Versammlung der islamischen Revolution im Irak“ (SAIRI), die schiitische SAIRI könne die erste Verfassunggebende Versammlung für den Irak werden. Das wurde von kurdischen Vertretern in Beirut umgehend als „inakzeptabel“ zurückgewiesen.
Einige Vertreter zeigten sich aber auch optimistischer. „Die Zeit arbeitet für uns“, sagte der Delegierte Hani Fukeiki, ein Führer der vom Londoner Exil aus arbeitenden unabhängigen Linken. „Wenn der Aufstand weitergeht, werden wir uns bald administrativen Problemen wie der Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln und Medikamenten gegenübersehen.“ Fukeiki beklagte, daß die Unterstützung für die Aufständischen durch einzelne Organisationen unzureichend sei. Der Sturz Saddam Husseins müsse bald herbeigeführt werden, bevor „die Dinge zu kompliziert werden“.
Seine Besorgnisse werden von der Delegation der Kurden geteilt, deren Kämpfer im Norden des Iraks nach jüngsten Meldungen alle wichtigen Städte und Siedlungen in der Region unter Kontrolle haben sollen. Sami Rahman, ein prominenter Kurdenführer, erklärt zur Kampftaktik: „Laßt die großen Städte fahren, wir können die Leute dort nicht ernähren.“ Große Hoffnungen richteten viele Konferenzteilnehmer auf den Iran. Von dem Nachbarland erhoffen sie sich umfangreiche Lebensmittellieferungen in die Grenzregionen zur Unterstützung der Aufständischen.
Einzelne schiitische Geistliche wiederum warfen Teheran allzu großes Entgegenkommen gegenüber Saddam Hussein vor. So sei in Teheran Saddams Halbbruder Parzan Takriti empfangen worden, dem eine persönliche Verwicklung in die Ermordung führender Geistlicher im Irak in den 80er Jahren angelastet wird.
Andere Delegierte kritisierten die demonstrative Zurückhaltung Saudi-Arabiens gegenüber der sich nun formierenden irakischen Opposition. Sie verwiesen dazu auf unbestätigte Berichte, daß Saudi-Arabien angeblich eine irakische Brigade an seinen Grenzen zum Irak mit Waffen ausgestattet habe. Dies könne nur bedeuten, daß Saudi-Arabien mit der gegenwärtigen Erhebung im Irak nicht einverstanden sei und der daran beteiligten Bevölkerung seine Hilfe versage, meinte ein auf sein Inkognito bedachter Teilnehmer. Schließlich wurde unter den Teilnehmern auch mehrfach der Verdacht geäußert, daß auch der Iran und Saudi- Arabien — wie den Vereinigten Staaten — am Ende ein geschwächter Saddam im Irak lieber sein könnte als eine völlig neue, unabhängige und kraftvolle Führung im Irak.
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