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Irak: Neue diplomatische Runde

■ Japanischer Premier Kaifu traf irakischen Spitzenpolitiker/ Gorbatschow sieht Spielraum für diplomatische Lösung/ Mitterrand in Saudi-Arabien/ UN-Sanktionen lasten schwer auf Jordanien

Amman/Bagdad/New York (ap/afp/adn/dpa) — Japans Premierminister Kaifu traf gestern in der jordanischen Hauptstadt Amman mit dem stellvertretenden irakischen Ministerpräsidenten Ramadhan zusammen, um die Möglichkeiten einer diplomatischen Beilegung der Golfkrise zu erörtern. Offenbar ist es Kaifu bei dem Treffen aber nicht gelungen, die Ausreise der rund 300 von den Irakern als Geiseln festgehaltenen Japaner zu bewirken. Einem japanischen Sprecher zufolge habe man lediglich vereinbart, den Dialog fortzuführen. Kaifu ist der erste Spitzenpolitiker einer der führenden Industriestaaten, der seit Ausbruch des Konflikts um Kuwait mit einem hochrangigen Vertreter der irakischen Regierung konferierte. Zuvor hatte Kaifu seinem jordanischen Amtskollegen Badran eine japanische Dringlichkeitshilfe über 250 Millionen Dollar zugesagt.

Schon am Mittwoch waren der sowjetische Nahostexperte Primakow sowie der PLO-Vorsitzende Arafat in Amman zu Gesprächen mit König Hussein zusammengetroffen. Nach Einschätzung des sowjetischen Präsidenten Gorbatschow steht ein Krieg im Golf nicht unmittelbar bevor. Vor einem Treffen mit dem Vizepremier von Oman, az-Zawawi, erklärte er gestern in Moskau auf eine entsprechende Frage, er glaube dies nicht. Im Hinblick auf eine mögliche Beteiligung sowjetischer Einheiten an den multinationalen Streitkräften in Saudi-Arabien äußerte Michail Gorbatschow, dort seien „schon mehr als genügend Truppen“ stationiert. Die Sowjetunion werde jedoch ihre Rolle „bis zum Ende erfüllen“.

Frankreichs Staatspräsident Mitterrand ist am Donnerstag nach einem Besuch in den Vereinigten Arabischen Emiraten in Saudi-Arabien eingetroffen. Er will in Dschiddah mit König Fahd Möglichkeiten zur Beilegung der Golfkrise sondieren. Außerdem ist ein Besuch der in dem Wüstenkönigreich stationierten französischen Truppen geplant, deren Stärke auf über 4.000 Mann beziffert wird.

Bereits am Abend zuvor hatte Mitterrand in Abu Dhabi militärische Aspekte der Golfkrise beraten. Einem französischen Sprecher zufolge habe das Gespräch eine sehr weitgehende Übereinstimmung der Auffassungen ergeben. Nach Angaben der jordanischen Königin Noor wird ihr Land trotz des UNO-Embargos weiterhin Öl aus dem Irak beziehen, da ansonsten die Energieversorgung kollabieren würde. Die Königin forderte insgesamt mehr wirtschaftliche Hilfe für ihr Land, das wegen der Golfkrise am Rande des finanziellen Zusammenbruchs stehe. Infolge der UNO-Maßnahmen, so die Monarchin, müsse Jordanien mit Einnahmeverlusten von vier Milliarden Dollar rechnen.

Unterdessen hat der israelische General Schahah, Leiter des militärischen Geheimdienstes, Amman vorgeworfen, Aufklärungsflüge entlang seiner Grenzen zu Israel und Syrien „im Auftrag der Iraker“ zu unternehmen. Angesichts der Flughöhe und der Flugbewegung schätzte Schahak, daß die Flugzeuge Luftaufnahmen machten und elektronische Daten sammelten, die sie nach Bagdad weitergeben. Der Irak erhalte aber auch Informationen von den Palästinensern „nicht nur über Kuwait, sondern auch über Israel“, erklärte Schahak.

Unterdessen haben iranische Marinestreitkräfte und „Revolutionswächter“ für die nächsten drei Monate gemeinsame Manöver im Persisch-Arabischen Golf angekündigt. Durch die Übung solle die Einsatzfähigkeit der Flotten getestet werden. Iran plane zudem nach Aussagen eines Marinebefehlshabers den Kauf von modernen Kriegsschiffen „zur Verteidigung des Persischen Golfs“. Nach den Worten von Außenminister Welajati plant der Iran aber keineswegs, im Falle eines Kriegsausbruchs in der Golfregion militärisch einzugreifen. Den USA warf das Teheran Blatt 'Kayhan International‘ vor, die gegenwärtige Krise dazu zu nutzen, den Einfluß eines von Deutschland dominierten Europa auf die Weltwirtschaft auszubalancieren. Washington strebe, so die Zeitung, die volle Kontrolle der reichsten Ölfelder der Welt an. „Wenn die USA diese Aktion nicht unternommen hätten, wären sie nicht in einer Position, in der sie die Nato und ihre Dominanz in Europa sichern könnten“.

Die mit Spannung erwartete Rede des irakischen UNO-Botschafters al- Anbari vor der UN-Vollversammlung ist am Mittwoch ohne Angabe von Gründen erneut abgesagt worden. Wie aus UNO-Kreisen in New York verlautete, wurde die Rede auf gestern verschoben. Allgemein herrscht die Erwartung, daß al-Anbari auf die Rede von US-Präsident Bush vom Montag eingehen würde, in der dieser Wege zu einer friedlichen Lösung des Golfkonflikts aufgezeigt hatte.

Die arabischen Außenminister vermochten auf ihrer Tagung in New York in der Nacht zum Donnerstag nicht, die Modalitäten für einen Gipfel der Arabischen Liga auszuhandeln. Lediglich ein Treffen auf Botschafterebene in Tunis wurde für den 26. Oktober vereinbart. Die Minister sollen nicht näher definierte Konsultationen fortführen. Kuwaits Außenminister, der das Treffen am Rande der UNO-Vollversammlung leitete, machte gegenüber Journalisten deutlich, daß jegliche Vorschläge zur Beilegung der Golfkrise von der Arabischen Liga bestätigt werden müßten. An der Sitzung nahmen 20 Außenminister teil, Bagdad war nicht vertreten. Die arabische Welt ist seit dem irakischen Einmarsch in Kuwait tief gespalten. Unterdessen kündigte der Außenminister der Vereinigten Arabischen Emirate vor der UNO- Vollversammlung an, sein Land werde den von Golfkrise und Sanktionen besonders stark betroffenen Staaten der Dritten Welt eine Milliarde Dollar zur Verfügung stellen.

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