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Irak-Enthüllungen als Medien-Sommersport

Hamburg/Frankfurt (dpa/taz) Enthüllungen über die Beihilfe westlicher Firmen zu Iraks Rüstungsprogramm scheinen zum medialen Volkssport zu avancieren: In seiner jüngsten Ausgabe berichtet nun der 'Stern‘, in dieser Disziplin momentan vom 'Spiegel‘ um Längen abgehängt, daß auch die US-Firma Foxboro Company Mitte 1986 über ihre westdeutschen Ableger in Düsseldorf und Hamburg Technik für eine von der Hamburger Firma WET bei Falludja errichtete Chemiefabrik beisteuerte. In Falludja gewinnen Iraks Militär-Chemiker aus Nebenprodukten der landeseigenen Petrochemie die Substanzen Phosphortrichlorid und Phosphoroxidchlorid, beides klassische Ausgangsstoffe für Nervenkampfgase.

Der Hessische Rundfunk ließ sich nicht lumpen und meldete am Mittwoch, die Geisenheimer Fritz Werner GmbH habe ohne die nötigen Exportgenehmigungen Maschinenteile für die Munitionsherstellung in den Irak geliefert. Die dubiosen Exportgeschäfte der Firma Fritz Werner sind allerdings schon mehrfach in einschlägigen Büchern geschildert worden. Auch die österreichische Hirtenberger Patronenfabrik, mit der die Fritz Werner GmbH bei dem Irak-Deal kooperiert haben soll, sorgte in Wien bereits mehrfach für Schlagzeilen. Besondere Brisanz erhält der Fall Fritz Werner dadurch, daß sich die Firma bis 1989 im Bundesbesitz befand. Auf dem Chefsessel des FW-Aufsichtsrates saß noch vor wenigen Wochen der Herr Ministerialrat Claus Fricke aus dem Bundeswirtschaftsministerium.

Daneben gegriffen im Enthüllungsrausch hat dagegen offenbar ein Wiener Regenbogenblatt, das am Mittwoch eine Tiroler Firma beschuldigte, Giftgas-Technik in den Irak verschoben zu haben. Tatsächlich, so erfuhr die taz von der ermittelnden Staatsanwaltschaft Innsbruck, hat die Firma Alubau, Spezialist für Stahlträgerkonstruktionen, im Irak offenbar nur eine Werkshalle errichtet, in der dann später möglicherweise eine Chemie-Anlage installiert wurde.

thosch

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