Interview-Offensive von Kamala Harris: Viele Auftritte, wenige Details
Lang ist Kamala Harris dafür kritisiert worden, sich im US-Wahlkampf nicht den Fragen der Presse zu stellen. Diese Woche geht sie in die Offensive.
Den Anfang machte Harris bereits übers Wochenende, mit der Veröffentlichung ihres Podcast-Interviews mit „Call Her Daddy“. Der Podcast, der vor allem ein Frauenpublikum anspricht, hatte zum ersten Mal eine Präsidentschaftskandidatin zu Gast. Im Fokus standen Themen wie Abtreibungsrecht und sexuelle Gewalt. Doch auch die Wirtschaft wurde von Harris und Podcast-Host Alex Cooper angesprochen.
„Wenn [eine Frau eine Abtreibung] möchte, dann wird sie mit ihrem Priester, ihrem Pastor, ihrem Rabbi, ihrem Imam darüber sprechen, aber die Regierung sollte ihr nicht sagen, was sie zu tun hat,“ sagte Harris über die aktuelle Fragmentierung von Abtreibungsrechten in den USA.
Sie erinnerte die Zuhörer auch daran, dass es Trump war, der mit der Nominierung von drei konservativen Richter*innen zum Supreme Court für die Aufhebung des bundesweiten Abtreibungsrechts gesorgt hatte. „Eine von drei Frauen in unserem Land lebt in einem Bundesstaat, in dem Abtreibung verboten ist“, sagte Harris während des mehr als 40-minütigen Interviews.
Kritische Punkte umschifft Kamala Harris im Interview
Am Montag dann war Harris bei „60 Minutes“ zu Gast. Das wöchentliche Programm von CBS News gehört zu den festen Größen in der US-Medienlandschaft. Die langjährige Tradition, dass die Präsidentschaftskandidaten aus beiden Parteien sich einem Interview stellen, endete in diesem Jahr, nachdem Trump erst zu- und dann abgesagt hatte.
Das „60 Minutes“-Interview mit Kamala Harris begann mit einer Frage zum Krieg zwischen Israel und Hamas im Gazastreifen. Der Konflikt, der am Montag sich zum ersten Mal jährte, hat bis mehr als 40.000 Todesopfer gefordert.
„Ich bin der Meinung, dass Israel das Recht hat, sich zu verteidigen. Das würden wir auch tun. Doch es ist wichtig, wie es das tut. Viel zu viele unschuldige Palästinenser wurden getötet. Dieser Krieg muss enden“, sagte Harris. Auf die Frage, ob die USA ihre Waffenlieferungen an Israel hinterfragen sollte und ob der israelische Premierminister Benjamin Netanjahu wirklich ein Verbündeter ist, wollte Harris keine direkte Antwort geben.
Wie Umfragen immer wieder zeigen, ist für die meisten US-Amerikaner die wirtschaftliche Lage des Landes das Topthema in diesem Wahljahr. Der Interviewer führt aus, dass die von Ökonomen herangezogen Indikatoren zeigen, dass die US-Wirtschaft gut dasteht. Mit gestiegenen Lebenshaltungskosten, vor allem im Bereich Lebensmittel, spüren viele Wähler davon allerdings wenig – und machen die Regierung dafür verantwortlich.
Harris will die Preise senken, mehr Geld für Familien zur Verfügung stellen und Steuervergünstigungen für erstmalige Immobilienkäufer und Unternehmensgründer durchzusetzen. Wie sie das finanzieren will, sagt sie nicht. Und ohne die Unterstützung des Kongresses sind diese Pläne jedoch kaum realisierbar.
Auch ist Harris der Überzeugung, dass der Krieg in der Ukraine nicht ohne die Zustimmung aus Kyjiw beendet werden kann. „Die Ukraine muss bei der Zukunft der Ukraine mitreden können“.
Doch „Call Her Daddy“ und „60 Minutes“ waren erst der Anfang. Am Dienstag wird Harris in New York bei der Daytime Talkshow „The View“ zu Gast sein, mit Radiomoderator Howard Stern plaudern und bei „The Late Show with Stephen Colbert“ auftreten. Den Rest der Woche wird sie mit Wahlkampfauftritten in Swing States verbringen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
BSW in Koalitionen
Bald an der Macht – aber mit Risiko
Dieter Bohlen als CDU-Berater
Cheri, Cheri Friedrich
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Selbstzerstörung der FDP
Die Luft wird jetzt auch für Lindner dünn
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“