Internet-Datenschutz: Die Beschützerin der Onlinedaten
Die EuGH-Generalanwältin findet, die EU verpflichtet Mitgliedsstaaten und Telefongesellschaften nicht zur Weitergabe von Kazaa-Daten an die Musikindustrie.
Freiburg taz Datenschützer und Tauschbörsennutzer haben einen neuen Star: Juliane Kokott, Generalanwältin am Europäischen Gerichtshof. Nach ihrer Ansicht gibt es keine EU-Pflicht für Internet-Provider zur Weitergabe von Kazaa-Daten an die Musikindustrie, erklärte sie jüngst in einem Schlussantrag. Und so ganz nebenbei hat Kokott auch noch die Zulässigkeit der geplanten Vorratspeicherung von Telekom- und Internetdaten bezweifelt.
Der konkrete Fall spielte in Spanien. Eine Organisation der Musikwirtschaft, Promusicae, hatte auf der Suche nach Nutzern der Tauschbörse Kazaa bestimmte IP-Internetadressen identifiziert. Von den zugehörigen Computern sollen illegal Musikdateien heruntergeladen worden sein. Promusicae verlangte nun von dem Internetprovider Telefonica Auskunft über die Anschlussinhaber, denn die Organisation wollte von den File-Sharern zivilrechtlich Schadensersatz einklagen. Telefonica hatte zwar die Daten gespeichert, weil es in Spanien schon seit 2002 eine Vorratsspeicherung von Internet-Verbindungsdaten gibt. Dennoch verweigerte der Provider die Auskunft, weil die Weitergabe der Verbindungsdaten nach spanischem Recht nur für strafrechtliche Zwecke, nicht für Schadensersatzklagen, möglich ist.
Ein spanisches Gericht legte den Fall dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) vor. Zur Vorbereitung dieser Entscheidung hat die unabhängige Generalanwältin Juliane Kokott letzten Mittwoch ein Gutachten verkündet. Demnach verstoße das spanische Recht nicht gegen EU-Richtlinien zum Urheberrecht. Telefonica müsse die Tauschbörsen-Daten also nicht an die Musikwirtschaft weitergeben. Ob der EuGH dem Gutachten folgt, wird sich erst in einigen Monaten zeigen.
Kokott verweist auf EU-Datenschutzrecht. Dieses schreibe vor, dass die Internetverbindungsdaten sofort zu löschen sind, wenn sie nicht mehr gebraucht werden. Ausnahmen seien zwar möglich, aber eng auszulegen, um den "gläsernen Bürger" zu vermeiden, so Kokott. Im Zweifel gehe das EU-Datenschutzrecht dem von der EU ebenfalls verlangten Schutz des Urheberrechts vor. Daran ändere sich auch nichts, wenn die Vorratsspeicherung der Internet-Verbindungsdaten bald EU-weit Pflicht ist. Denn auch diese Pflicht diene nur der Verfolgung schwerer Straftaten, so Kokott.
Was die File-Sharer nicht so gern erwähnen: Nach Ansicht von Kokott dürfen die EU-Staaten der Musikwirtschaft im Interesse "der öffentlichen Sicherheit" durchaus mehr entgegenkommen, als dies Spanien getan hat. So könne ein Staat sehr wohl entscheiden, dass Internet-Verbindungs-Daten auch für Schadensersatzprozesse eingesetzt werden können. Die nationalen Parlamente hätten da einen "weiten Ermessensspielraum".
Diesen Spielraum will auch der Bundestag nutzen. Nach der Sommerpause soll ein "Gesetz zur Verbesserung der Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigentums" beschlossen werden. Darin erhält die Musikindustrie auch ein direktes Auskunftsrecht gegenüber Internetprovidern, wenn ein Kunde Musikdateien "im geschäftlichen Verkehr", also mehr als privat üblich, anbietet oder herunterlädt.
Kokott verlangt allerdings, dass die Daten stets dem Staat übergeben werden, auch wenn es um privaten Schadensersatz geht. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung sieht dagegen ein eigenes Auskunftsrecht der geschädigten Urheber vor. Vorgesehen ist aber immerhin ein Richtervorbehalt für die Datenweitergabe. Wünsche der CDU/CSU, auf die richterliche Genehmigung zu verzichten, dürften nach Kokotts Gutachten wohl vom Tisch sein.
Für Furore sorgte Kokott auch mit ihrer Nebenbemerkung, "man kann daran zweifeln, ob die Speicherung der Verkehrsdaten aller Nutzer - gewissermaßen auf Vorrat - mit Grundrechten vereinbar ist." Da stellte sie die von Spanien bereits praktizierte und bald EU-weit verbindliche Vorratsspeicherung mal schnell ganz grundsätzliche in Frage, beließ es dann aber bei dieser Andeutung. In einem anderen Prozess wird der EuGH nächstes Jahr aber auch über die generelle Zulässigkeit der mindestens sechsmonatigen Zwangsspeicherung aller Telefon- und Internet-Verbindungsdaten zu entscheiden haben.
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