Internationales Literaturfestival Berlin: Ausbeutung zwischen den Zeilen

Angestellte des Literaturfestivals beklagen schlechte Arbeitsbedingungen und Machtmissbrauch durch den Leiter. Der verspricht Änderungen.

Leiter Ulrich Schreiber bei der Eröffnung des Literaturfestivals 2021.

Sein Führungsstil soll aggressiv und respektlos sein: Festivalleiter Ulrich Schreiber Foto: Christophe Gateau/dpa

BERLIN taz | Es sind schwere Vorwürfe, die Mit­ar­bei­te­r*in­nen des noch bis Samstag in Berlin stattfindenden internationalen Literaturfestivals gegen den Leiter Ulrich Schreiber erheben: Von „Machtmissbrauch“ ist die Rede, einem „toxischen Arbeitsklima“ und Drohungen gegenüber Untergebenen.

In einer E-Mail an Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne), Kultursenator Klaus Lederer (Linke) und den Träger des renommierten Festivals, die Peter-Weiss-Stiftung, die der taz vorliegt, beklagen die Mitarbeiter*innen, dass der Führungsstil von Schreiber „in einem nicht akzeptablen Maß“ von „Aggressivität, Respektlosigkeit, Misstrauen und Unprofessionalität“ geprägt ist.

Die Un­ter­zeich­ne­r*in­nen sehen gar die „psychische und physische Gesundheit“ der Festival-Mitarbeitenden „in akuter Gefahr“: So sollen die Missstände bei Angestellten zu Angstzuständen, Schlaflosigkeit, Herzrhythmusstörungen und Zusammenbrüchen geführt haben.

Das internationale Literaturfestival Berlin (ilb), bei dem rund 200 Au­to­r*in­nen ihre Werke vorstellen – darunter prominente Schrift­stel­le­r*in­nen wie Margaret Atwood und No­bel­preis­trä­ge­r Abdulrazak Gurnah – findet seit dem 7. September in der Hauptstadt statt. Der Gründer und Direktor Ulrich Schreiber bezeichnete es zur Eröffnung als „das politischste“ aller großen Literaturfestivals. Dass er selbst zum Politikum wird, hatte er dabei wohl nicht im Sinn.

Wutausbrüche an der Tagesordnung

Zahlreiche langjährige Mit­ar­bei­te­r*in­nen berichten der taz von „furchtbaren“ und „unhaltbaren“ Zuständen im Umgang Schreibers mit seinen Angestellten – und das bereits seit vielen Jahren. Wutausbrüche seien an der Tagesordnung, ebenso wie Kündigungsandrohungen. Bereits im April hätten sie diese in einem Dossier gesammelt und intern bekannt gemacht.

Mit­ar­bei­te­r*in­nen des Festivals

„Wir sind fest davon überzeugt, dass ein solcher Führungsstil der Vergangenheit angehören muss“

Weil daraufhin nichts passierte, wendeten sie sich Ende August mit der Bitte um Unterstützung an die Politik. „Machtmissbrauch in Form von direktem Anschreien, lautem, aggressivem, drohendem Umgangston“, „Abwerten, Bloßstellen und Ignorieren von Mitarbeiter*innen“ sowie ein „dauerhaft deutlich zu hohes, meist bis zum äußersten ausgereiztes Arbeitspensum in viel zu wenigen Arbeitsstunden“, lauten unter anderem die Vorwürfe.

Der 71-jährige Schreiber räumt gegenüber der taz ein, dass es mit Teilen des Teams Auseinandersetzungen über die Arbeitskultur gebe. So sei er in der Vergangenheit während des Festivals ab und an „etwas ungehalten gewesen“ und habe „hin und wieder mal die Stimme gegenüber Mitarbeitern erhoben“, wenn es zu Konflikten gekommen sei. Auch habe er dabei möglicherweise erwähnt, dass es ja auch noch andere Jobs gebe – als Drohung will er das aber nicht verstanden wissen. „Das Bild, das da von mir gezeichnet wird, trifft nicht zu“, sagt Schreiber.

Hauptförderer des Festivals sind der Hauptstadtkulturfonds, das Auswärtige Amt und die Heinrich-Böll-Stiftung. Auf taz-Anfrage bestätigen die Senatskulturverwaltung und die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM), dass ihnen die Vorwürfe bekannt seien und man „unverzüglich Gespräche mit allen Beteiligten“ geführt habe.

Strukturelle Veränderungen geplant

Bund und Land wollen nach dem Festival Gespräche darüber führen, „wie die Strukturen und Abläufe“ neu organisiert werden können, dass diese „auch in Zeiten größter Betriebsamkeit nicht zu extremen Arbeitsbelastungen führen“, sagt ein Sprecher der Senatskulturverwaltung der taz. Man wolle auch den Vorwurf prekärer Arbeitsverhältnisse prüfen – bei dem Festival sollen mehr als 40 Personen nur ehrenamtlich arbeiten.

Ob das den Mit­ar­bei­te­r*in­nen reicht, ist fraglich. „Wir sind fest davon überzeugt, dass ein solcher Führungsstil der Vergangenheit angehören muss“, schreiben sie und fordern eine personelle Neuaufstellung. Die schließt Schreiber gegenüber der taz jedoch explizit aus. „Wir ziehen jetzt erst einmal das Festival durch, danach wird es strukturelle Veränderungen geben“, verspricht er. Damit meint er aber vor allem die Größe des Festivals. „Es wird verkleinert“, sagt Schreiber.

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