Press-Schlag: Inter wittert Komplott
■ Verschwörungstheorien in Italien
Warum hat Schiedsrichter Boggi den Elfmeter gegen Inter erst nach gut fünf Sekunden gepfiffen? Warum hat sein Kollege Pairetto das Handspiel beim Spiel Parma-Florenz nicht zum Anlaß für einen Strafstoß zugunsten der Gäste genommen? Warum purzeln in manchen Spielen gleich dutzendweise gelbe Karten, beim einen Verein allesamt gegen Spieler, die schon welche erhalten haben und daher nun pausieren müssen, beim Gegner dagegen gegen Gelbkartenneulinge?
Fragen über Fragen. Doch die Hauptfrage kommt von Inter Mailand, derzeit Tabellenführer der italienischen Liga: „Wollen die verhindern, daß wir Meister werden?“ Den Mund besonders weit aufgerissen hat Superstar Ronaldo. Er glaubt im letzten Spiel von Juventus Turin gegen Lazio Roma bemerkt zu haben, daß der Spielleiter „dieses Tor am Spielende gegen Lazio unbedingt haben wollte“ – damit Juve den Anschluß an Inter nicht verliert.
Nach einer harten Rüge seitens des Fußballverbandes, die auch noch Trainer und Vereinsvorstand mitbedachte, schnitten die Inter-Manager ein Video zusammen, in dem nicht weniger als ein Dutzend markante Fehlentscheidungen innerhalb von nur drei Spielen gezeigt werden – allesamt in Phasen, in denen Inters Gegner noch ein Unentschieden erreichen konnte.
Daß Juventus den meisten Liga-Oberen als Meister besser ins Konzept passen würde, darf als ausgemacht gelten: nicht nur, daß Juventus dem Fußballverband ein neues, repräsentatives Stadion bauen will – Inter hat die Funktionärsgilde noch so gut wie nie erfreut, wenn es Meister (bisher 13 Mal) oder Pokalsieger (2 Mal) wurde.
Das Mißtrauen der Inter- Chefs gilt aber nicht nur der Titelanwärter-Clique des Juventus-Eigners Gianni Agnelli (Fiat), sondern genauso stark dem Lokalrivalen Berlusconi und seinem AC Mailand: Der dümpelt derzeit im unteren Mittelfeld herum, stand zeitweise gar in Abstiegsgefahr und hat sich erst in den letzten Spielen wieder einigermaßen erholt – „ein Wunder“, bemerkt süffisant Inter-Präsident Moratti.
Andere Vereinsobere glauben an noch größere Verschwörungen: Mario Cecchi Gori, Italiens größter Filmproduzent und Eigner des AC Florenz, vermutet ein „internationales Komplott“ hinter den Schiedsrichter-Entscheidungen, „weil bestimmte Vereine in der Champions League eben mehr Zuschauer bringen als andere.“
Geht Italien einem neuen Fußballskandal entgegen, wie in den 60er und 70er Jahren, wo die Kicker reihenweise der Schmiergeldannahme überführt wurden – nur daß es diesmal die Schiedsrichter sind, die man gekauft hat? Der Fußballverband beharrt auf seiner harten Haltung: Wer von den Spielern die Schiedsrichter kritisiert, soll künftig gar mit Sperren belegt werden, wer es von den Vereinsoberen tut, kann sich Platzverbot, Geldstrafe oder Ausschluß von der Übernahme sportlicher Funktionen holen. Die Polemik bleibt dennoch in vollem Gange. Werner Raith
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