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Archiv-Artikel

Intellektuelle Geisterbahn

„Liest, dies und jenes“: Irish Whiskey-Botschafter Harry Rowohlt und Gregor Gysi gastieren im Literaturhaus

Es soll ja Menschen geben, die finden Harry Rowohlt gar nicht so toll. Auch seine Gastspiele in der Lindenstraße – bekanntermaßen gibt Rowohlt seit Ewigkeiten den zersauselten Obdachlosen – halten diese Zeitgenossen für überbewertet. Tatsächlich trägt der Eppendorfer zur Gelingen der Serie nichts bei, er taucht auf – und verschwindet wieder.

„Ich bin Übersetzer und nicht Promi“, sagt Rowohlt selbst – und es dürfte sich herumgesprochen haben, dass der erfolgreiche Übersetzer von Frank McCourts Bestseller Die Asche meiner Mutter auch (ehemaliger) Zeit-Kolumnist und erfolgreicher Buchautor ist. Und vor allem: ein Vorleser mit Sportsgeist. Durchkommen heißt die Devise bei Rowohlts bierseligen, hingenuschelten, gegrummelten Lesedauerläufen, deren einer jetzt im Literaturhaus wieder zu erwarten ist. Durchkommen ist auch wichtigstes Ziel, wenn Rowohlt seinen Wildwestroman John Rock oder der Teufel mit Übersetztem, vor allem mit seinem irischen Lieblingsautor Flann O‘Brian oder mit Alan A. Milnes Pu der Bär mischt.

Was an diesem Leseabend passieren wird, ist ganz und gar nicht abzusehen. Wohl am ehesten die typische Mischung aus Bildungsbürgerwitz, vitaler Gossensprache und intellektueller Geisterbahn, vorgetragen von einem mit dem Titel „Ambassador of Irish Whiskey“ offiziell geehrten Mann, von dem so ziemlich alles erwartet werden kann, nur keine normale Lesung: „Ich versuche, das zu vermeiden, was ich an Dichterlesungen selbst erlebt habe“, meckerte Rowohlt einmal in einem Interview. „Irgendeine Doppelnamen-Tussi liest 40 Minuten lang Gedichte vor, die sich nicht reimen, trinkt dazu Mineralwasser, und danach ist Diskussion.“ Meine Güte, hat der Mann Klischees im Kopf.

Als Spezialgast hat Harry Rowohlt in Hamburg übrigens Gregor Gysi dabei. „Liest, dies und jenes“ heißt das Ganze. Vor allem soll in Briefen der Jahre 1966 bis 2004 gestöbert werden, die der Autor nach eigenem Bekunden nicht weggeschmissen hat – und die in diesen Tagen in dem Band Der Kampf geht weiter! Schönen Gruß, Gottes Segen und Rot Front erschienen sind. Briefe an Autoren, Freunde, Buchhändler und Journalisten. Briefe an Leserbriefschreiber. Warum er die Briefe nicht weggeschmissen hat? Das wird er hoffentlich selbst erzählen. Marek Storch

Do, 7.4., 20 Uhr, Literaturhaus – leider ist der Abend bereits ausverkauft!