: Intellektuelle Flugkarotten
■ Slapstick meets Dada – das Bremer ThéÛtre du Pain zeigt beim Kabarett Festival den Kleinbürger in einer avancierten musikalischen Comedy-Show
hre Eltern müssen es ihnen zu oft verboten haben, mit dem Essen zu spielen. Nur so läßt sich erklären, warum drei erwachsene Männer mit solch einer Inbrunst auf der Bühne Karotten zerschnippeln, Brezeln zertreten, Zitronen zerquetschen und sich Koteletts als Koteletten an die Wangen hängen. Auch wenn man beim ThéÛtre du Pain sonst mit allem rechnen muß – eines ist sicher: Die drei Akteure König, Pollkläsener und Walkau bleiben ihrem schon im Namen angedrohten Motto treu und bieten Theater mit Brot. Da kann es dem Publikum schon mal passieren, daß es von umherfliegenden Gemüseteilen getroffen oder von milchigen Flüssigkeiten, die den Darstellern von der Bühne schwappen, durchnäßt wird. In den vorderen Reihen ist also Vorsicht geboten. Ansonsten besudeln sich die Akteure aber in erster Linie untereinander, und diese Splatterszenen, bei denen aus Mündern Säfte tropfen, Kettensägen knattern und eine Operation am offenen Gehirn auf offener Bühne zum normalen Tagwerk gehören, sind die dramaturgischen Höhepunkte der Vorstellungen.
Der amoklaufende Kleinbürger steht im Mittelpunkt fast aller Szenen der Bremer Gruppe: Gesellschaftliche Konventionen, unser aller Gewohnheiten und Klischees werden da ins Absurde weitergedacht, und alltägliche Situationen münden im lustvoll inszenierten Tohuwabohu. Dabei ist das Grundprinzip der meisten Lacher des ThéÛtre du Pain ganz simpel: Es werden einfach zwei Elemente, die möglichst weit voneinander entfernt liegen, so unlogisch wie nur möglich miteinander verbunden. Je mehr die Vernunft sich dagegen sträubt und je größer die Fallhöhe, desto witziger ist es. So kann etwa eine von Einsteins Erläuterungen zur Relativitätstheorie beschwingt als Text einer Schlagerschnulze erklingen, oder Meeressäuger schweben in einer Kreissparkasse – Blauwale in der Konto- und Pottwale in der Kreditabteilung. Zu all dem macht die Gruppe auch noch Musik, und diese oszilliert zwischen Volkslied, Rockgitarre und rhythmisch angekratztem Knäckebrot.
Seit mittlerweile schon dreizehn Jahren vermischt das ThéÛtre du Pain so Slapstick und Dada, Spießbürger-Karikatur und Albernheit, infantile Lust am Herumkleckern und intellektuelle In-Jokes. Dabei sind sie viel radikaler und smarter als die meisten Comedy-Stars, die zur Zeit gerade in Mode sind. Gehen Sie also unbedingt hin, aber tragen Sie doch besser etwas Abwaschbares.
Wilfried Hippen
Donnerstag, 26. bis Samstag, 28. März, 20 Uhr, Kampnagel k4
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