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Ins Epizentrum des Gesäßes

■ Zum Arschkicken: Mit der Chicago-House-Größe Blake Baxter und Pacou kommen Vergangenheit und Gegenwart des Tresor

Biographische Daten und ihre Suggestivkraft: Blake Baxter hat als Schlagzeuger für Inner City und Nitzer Ebb gespielt. Seine erste Veröffentlichung unter eigenem Namen datiert auf 1985. Titel eines seiner ersten Werke war Prince of Techno, erschienen bei der jungen Kampfgruppe Underground Resistance. Vor elf Jahren bekam Baxter als bester DJ den Detroiter „Dance Music Award“. Was diese Auflistung bedeutet? Weniger Dollar als Ruhm.

Baxter hat seinen Platz in der Vitrine, knapp unter Atkins, May und Mills. Dass er nicht in den inneren Mythenkreis aufgenommen wurde, hat der Plattenhändler hauptsächlich seinem Unwillen zum Dogma zu verdanken. Gegen Kult und für Spaß mischt er Detroit Techno, Chicago House, George Clinton, Hip-Hop und Soul – alles, was auch in seinem Detroiter Laden „Save the Vinyl“ gehandelt wird. Dabei entstehen ebenso schwarze wie erotische Anliegen. In seinem 1998 auf dem Berliner Label Tresor veröffentlichten Mix fährt „The sexiest DJ in Detroit“ die große Runde, die seine anhaltende Leidenschaft für Barry White und Prince genauso zeigt wie auch Martin Luther Kings Traum nochmal über Acid und 4/4-Takt jagt.

Eine weitaus weniger spielerische Angelegenheit ist seine weiße Abendbegleitung Pacou. „Dies ist Musik“, wie De:Bug-Herausgeber und Szene-Orakel Sascha Kösch schreibt, „bei der man sofort versteht, warum sie aus Berlin kommt, warum sie auf Tresor erscheint, und wie sehr man sich eine Zeit zurückwünscht, deren Renaissance leider immer unwahrscheinlicher wird.“

Gemeint ist der Beginn dieses Jahrzehnts, wo Tau-sende junger Männer in den wenigen wachen Stunden des Tages Platten kaufen gingen, um ihren Beitrag zum nächsten Wochenende zu leisten. Hier hat der Berliner seinen Mills gelernt und angereichert: zum minimalistischen Knattern im 150 BpM-Bereich gesellen sich bei ihm versöhnliche Bass-Linien und andere synthetische Ummantelungen. Ergibt trotz hübscher Offbeats mit der digitalen HiHat eine absolut gradlinige Interface-Musik im Techno/House-Verhältnis von 2:1. Damit dürfte er trotz später Geburt ziemlich genau das Epizentrum des mittlerweise zehn Jahre alten Bebens namens Tresor ausmachen, welches sich auch in wenigen eindrücklichen Worten eines Rezensenten umschreiben lässt: „Dann stelle ich mich an die Ampel, öffne alle Fenster und kicke sauber Arsch. Seht Euch vor vor, tiefergelegte-Golf-Fahrer-Blümchen-Hörer. Pacou fegt euch weg.“ Holger in't Veld

Sa, 25. März, 22 Uhr, Phonodome

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