: Ins 3. Jahrtausend?
■ Die müde rot-grüne Landesregierung hat den Glauben an die Expo 2000 in Hannover verloren
Der in schwarz gekleidete SPD- Landtagsabgeordnete vorn links in der spärlich besetzen zweiten Reihe hat längst den Kopf auf die Brust gesenkt, auch seine Nachbarin kämpft gegen die Hitze und einschläfernde Formeln. Fünf Landesminister auf dem Podium und sieben Staatssekretäre haben ihre Pflichtfrage gestellt. „Ich habe hier die ganze Zeit im Grunde genommen nur Dinge wiederholt, die auch in den ökonomischen Lehrbüchern stehen“, sagt der Umweltverträglichkeits-Experte, und da spürt man es genau: Hier in der hannoverschen Stadthalle wird der Sprung in jenes „dritte Jahrtausend“ vorbereitet, das die niedersächsische Landesregierung so gerne „mit der Expo 2000 in Hannover beginnen“ lassen wollte.
Eineinhalb Tage lang hatte das Landeskabinett mit Gerhard Schröder an der Spitze dem Hearing der Landesregierung zur „Expo 2000 in Hannover“ beizuwohnen. Vor nur 60 geladenen Gästen, vom Kommunalpolitiker bis zum Umweltschützer, durften mehr oder minder prominente oder qualifizierte Experten ihre bekannten Pros und Contras wiederholen. Allein der niedersächsische Ministerpräsident Gerhard Schröder, der in seiner Not zwischendurch immer wieder das Ein-Mann-Hearing kreierte, den Frager, Moderator und Experten zugleich spielte, hatte in dieser Mischung aus Pflicht- Und Schattenveranstaltung dann doch noch Neues mitzuteilen. Er sprach vor allem über die Bedingungen, unter denen die Expo in Hannover nicht stattfinden kann.
Nur mit dem Versprechen, daß dem Bund durch die Expo keine Kosten enstehen würden, hatte einst Ministerpräsident Ernst Albrecht Bundeskanzler Helmut Kohl überhaupt zur Bewerbung der BRD für eine Expo bewegen können. Das von der rot-grünen Landesregierung formulierte Konzept, das nun zur Debatte stand, setzte diese Strategie des „Den-Bund-nach- und-nach-in-die-Pflicht-Nehmens“ konsequent fort: Auf dem Papier wurde eine kostendeckende Weltausstellung errechnet, aber an dieser sollte sich der Bund zur Hälfte beteiligen. Der Antwort aus Bonn, die von Bundesfinanzminister Theo Waigel und von Jürgen Möllemann folgte, mangelte es nicht an Konsequenz: Dann könne Nidersachsen die ach so kostendeckende Expo im Verein mit der Industrie ja auch allein ausrichten.
Von nicht „vertretbaren finanziellen Risken“ für das Land Niedersachsen bei einer Expo ohne Bundesbeteiligung hat jetzt der niedersächsische Ministerpräsident in Hannover gesprochen und damit gleichzeitig sein eigenes doch kostendeckendes Expo-Konzept dementiert. Wenn man den Vorschlag der Bundesregierung einer vom Land Niedersachsen im Verein mit der Industrie finanzierten Expo akzeptiere, dann sei nur noch ein von der Wirtschaft dominiertes Disneyland im Jahre 2000 in Hannover machbar. Das aber lehnte Schröder mehrmals strikt ab.
Ab 26. Mai werden in Hannover die Karten für die Bürgerbefragung zur Expo verschickt. Bei einem negativen Votum wäre auch für ihn die Weltausstellung nicht machbar, betonte Schröder in der hannoverschen Stadthalle. Ihrer Hearingspflicht hatte die Landesregierung dennoch nachzukommen. Schließlich soll der Bund am Ende die Schuld am Scheitern des Projektes tragen. ü.o.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen