Innenminister scheitert an Bamf: Abschiebung trotz Intervention

Schleswig-Holsteins CDU-Innenminister Hans-Joachim Grote versucht, die Abschiebung eines homosexuellen Afghanen zu verhindern. Ohne Erfolg.

Ein Mann mit rot-weiß kariertem Hemd steht in einer Kirche.

Hat Zuflucht in der Kieler Emmaus-Gemeinde gefunden: der von Abschiebung bedrohte Afghane Foto: Thomas Eisenkrätzer

HAMBURG taz | Am Mittwoch Nachmittag fiel das letzte Wort: Es wird keine Ausnahmeregelung geben. Schleswig-Holsteins Innenminister Hans-Joachim Grote (CDU) wollte im direkten Gespräch mit dem Bundesinnenministerium auf eine humane Lösung im Fall eines abschiebungsbedrohten Afghanen drängen. Es war wohl die letzte Möglichkeit, auf die ein 19-jähriger Geflüchteter in Kiel hoffen konnte. Die Gespräche, die Grote mit dem Chef des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge führte, sorgten für keine Änderung. Damit droht dem Afghanen in seinem Heimatland Verfolgung oder sogar der Tod, denn er ist homosexuell.

Der Afghane befindet sich derzeit im Kirchenasyl in Kiel. Seit Februar lebt er in einer kleinen Wohnung der evangelischen Emmaus-Gemeinde. Doch das zuständige Bamf hatte seinen Asylantrag verworfen, da es sich um einen Dublin-Fall handelt. Nach dem Willen des Bamf muss er nach Norwegen abgeschoben werden, denn dort hatte er zuerst einen Asylantrag gestellt. Würde er nun aber nach Norwegen abgeschoben werden, ginge es für ihn auf direktem Weg weiter nach Afghanistan. Denn dort gilt das Bürgerkriegsland für homosexuelle Menschen als sicher. Nicht nur Flüchtlingsinitiativen widersprechen der Bewertung seit Jahren vehement.

Wie die Kieler Nachrichten berichteten, war der Afghane 2015 mit 14 Jahren geflohen. Über Deutschland kam er nach Norwegen, wo er einen Asylantrag stellte. Aus Angst, in seine Heimat abgeschoben zu werden, flüchtete er erneut. Auch in Deutschland stellte er einen Asylantrag. Dieser wurde aber bereits Anfang dieses Jahres verworfen. Aus Angst vor einer Abschiebung suchte er in Kiel Schutz im Kirchenasyl.

Dort setzte sich die Kirche für einen positiven Bescheid beim Bamf ein. „Wir haben bereits im Februar ein Härtefalldossier eingereicht“, sagt Pastorin Dietlind Jochims, Beauftragte für Asyl- und Menschenrechtsfragen in der Nordkirche. Doch wie auch in diesem Fall würden die Behörden durch Verweis auf ihre Nicht-Zuständigkeit – in diesem Fall seien die norwegischen Behörden zuständig – versuchen, sich die Hände in Unschuld zu waschen. Denn ob und wen Norwegen nach Afghanistan abschiebt, sei nicht Bestandteil ihrer Überlegungen.

Das Dublin-Verfahren regelt innerhalb der Europäischen Union die Zuständigkeiten bei Asylverfahren. Es geht der inhaltlichen Prüfung des Antrags immer voran. Ziel ist, dass ein Asylantrag immer nur von einem Mitgliedsstaat bearbeitet wird.

Der Asylantrag muss in dem Land gestellt werden, in dem Drittstaatsangehörige – Nicht-EU-Bürger*innen – in der Europäischen Union zuerst registriert werden.

Insbesondere in den südeuropäischen Ländern ist das Dublin-Verfahren umstritten, weil dort die meisten Geflüchteten ankommen. Staaten weit weg vom Mittelmeer sind prinzipiell selten zuständig.

Nach dem Selbsteintrittsrecht können Staaten sich allerdings in einem Asylverfahren für zuständig erklären, auch wenn sie nicht zuständig wären.

Das Bamf will sich aus „datenschutzrechtlichen Gründen“ nicht zu dem Fall äußern, verweist lediglich allgemein auf die Bestimmungen des Dublin-Abkommens, wonach eben das Land zuständig ist, in dem jemand zuerst einen Asylantrag gestellt hat.

Dabei hatte Innenminister Grote den Fall durchaus überraschend an sich gezogen. Er ließ sein Ministerium ein Schreiben an das Bamf anfertigen, in dem auf eine Ausnahme gedrungen wird. Die Bundesländer haben in solchen Fällen keine eigene Entscheidungsgewalt.

Doch die Antwort des Bamf war ernüchternd. „Ich bedauere die Entscheidung sehr und hatte mir aufgrund unserer umfangreichen, qualifizierten Erläuterungen in diesem Fall ein anderes Ergebnis erhofft“, sagte Grote. Doch eine solche Schlappe wollte Grote offenbar nicht hinnehmen und kündigte an, mit Innenminister Seehofer darüber sprechen zu wollen.

Dass sich ein konservativer Innenminister für den Verbleib von Geflüchteten einsetzt, mag überraschen. Im Fall des ehemaligen Oberbürgermeisters von Norderstedt ist das nicht ganz der Fall. Zwar boxte er das „Ankerzentrum light“ durch, erhielt aber auch häufiger Lob von der linken Opposition für manche flüchtlingsfreundliche Initiative, nachdem er 2017 Innenminister geworden war.

Auch der Beauftragte für Flüchtlings- und Asylfragen des schleswig-holsteinischen Landtags, Stefan Schmidt, lobt Grotes Einsatz, zeigt sich vor allem aber entsetzt über die Entscheidung des Bamf. „Angesichts der außerordentlichen Härte bedaure ich zutiefst, dass das Bundesamt in diesem Fall nicht von der Möglichkeit zum Selbsteintritt Gebrauch macht, sondern unbeirrt an der Ausweisung nach Norwegen festhält“, sagt Schmidt.

Dass die Intervention eines Innenministers das Bamf nicht zum Umdenken brachte, bezeichnet Schmidt als „irritierend“. Und dies erklärt wohl auch, warum Grote es bei dem Brief ans Bamf nicht belassen wollte. Allerdings können LandespolitikerInnen noch so viel fordern – am Ende entscheidet der Bund. Und der pfiff auf den Einwand Grotes. „Die abschließende Entscheidung des Bundesamtes werde ich respektieren“, sagte Grote.

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