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Inge Viett an die BRD ausgeliefert

■ Die RAF-Aussteiger Viett und Lotze wurden gestern dem Ermittlungsrichter in Karlsruhe vorgeführt / Vorwurf der RAF-Mitgliedschaft wird wegen möglicher Verjährung „entscheidungsrelevant“

Berlin (taz) - Nach Susanne Albrecht sind gestern auch die früheren RAF-Mitglieder Werner Lotze und Inge Viett von den DDR-Behörden an die Karlsruher Generalbundesanwaltschaft überstellt worden. Anders als Werner Lotze, der sich freiwilig den bundesdeutschen Strafverfolgungsbehörden stellen wollte, wurde die 46jährige Inge Viett „gegen ihren Willen“ übergeben.

Gegen Frau Viett war nach ihrer Festnahme am 13. Juni in Magdeburg ein Auslieferungshaftbefehl erlassen worden, gegen den sie Einspruch einlegte. Das Berliner Stadtgericht hatte der Beschwerde Recht gegeben, aber gleichzeitig einen bundesdeutschen Haftbefehl des Bundesgerichtshofes verkündet. Strittig war unter den Juristen, ob die DDR -Behörden überhaupt einen BRD-Haftbefehl aussprechen und eine Auslieferung vornehmen können. Deshalb hatte auch DDR -Innenminister Diestel vorgestern ein juristisch sauberes Procedere gefordert und eine Verfassungsänderung angekündigt. Danach soll der Artikel 33 der DDR-Verfassung, der die Auslieferung von DDR-Bürgern an eine „auswärtige Macht“ verbietet, modifiziert werden, so daß die Bundesrepublik nicht mehr als anderer Staat betrachtet wird.

Das Berliner Stadtgericht stellte sich dagegen auf den Standpunkt, mit der Ratifizierung des Staatsvertrages habe der Artikel 33 für die Bundesrepublik keine Gültigkeit mehr. Die Entscheidung des Ostberliner Stadtgerichts konnte Inge Viett nach DDR-Recht nicht mehr anfechten.

Inge Viett wird von der Bundesanwaltschaft der Mitgliedschaft in der RAF seit 1980 und des Mordes an einem Polizisten im August 1981 in Paris beschuldigt. Dem 38jährigen Lotze wird vorgeworfen, seit 1978 in der RAF Mitglied gewesen zu sein und sich an einem Banküberfall in Nürnberg 1979 beteiligt zu haben.

Der Vorwurf der „Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung“ wird bei beiden - wie auch bei Susanne Albrecht - aufrecht erhalten. Der Sprecher der Bundesanwaltschaft räumte aber ein, es handele sich um eine „entscheidungsrelevant“ Frage. Vor der letzten Verschärfung des Paragraphen 129a galt die Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung noch als Vergehen und nicht als Verbrechen. Nach der alten Rechtslage verjährt der Strafanspruch bereits nach 5 Jahren.

Die Generalstaatsanwaltschaft der DDR ging gestern sogar davon aus, daß nach der Überstellung der RAF-Aussteiger nur dem DDR-Recht vergleichbare Strafvorwürfe erhoben werden dürften. Einen vergleichbaren Paragraphen 129a gibt es im DDR-Strafrecht aber nicht. Darauf angesprochen, daß den Ausgelieferten nun in der Bundesrepublik eine Mitgliedschaft in der RAF vorgeworfen wird, reagierte Sprecher Plath gestern hilflos: „Da gilt letztlich wohl doch die Strafhoheit der BRD.“

Wolfgang Gast

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