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Influenza und Humpelchen

Das unschlagbare deutsche Tennispärchen Steffi Graf und Boris Becker wurde im Halbfinale des Hopman-Cups geschlagen — gemeiner Grippevirus unterstützte Karel Novacek und Helena Sukova  ■ Aus Perth Mario Vigl

Es war ein Bibbern und Zittern in den Umkleidekabinen des Burswood Superdome im westaustralischen Perth gewesen. Beim Hopman-Cup, dem Nationenturnier für Tennispärchen (Modus: zwei Einzel, ein Mixed) sollten die deutschen Tenniswunderkinder Boris Becker und Stefanie Graf erstmals als gemischtes Doppel auftreten. Eine ganz offensichtlich angsteinflößende Kombination: „Sie werden uns umbringen“, vermutete trocken der französische Davis-Cup- Heroe Henri Leconte vor dem Mixed des Viertelfinales gegen die Germanen.

Weil Henri Leconte und seine Landsfrau Julie Halard allerdings schon in den Einzeln ziemlich schlecht aussahen, (2:6, 4:6, gegen Boris, 0:6, 5:7 gegen Steffi), war diese Begegnung schon vor dem Doppel entschieden. So blieben die Franzosen noch einmal von der befürchteten Exekution verschont, weil die grippale Steffi das Mixed kurzerhand absagte.

Am Neujahrestag sollte es aber soweit sein. Die Tschechoslowaken Karel Novacek und Helena Sukova hatten sich durch einen Sieg über die USA als Opfer qualifiziert. Schon das Auftaktmatch hätte Formsache sein sollen: Steffi Graf gegen Sukova. Leider war Frau Graf nicht in Form. Mit einem 6:2 im ersten Satz wurde die um die Nase äußerst blasse Steffi ihrer Rolle zwar noch gerecht. Dann jedoch schlug der böse Influenza-Virus voll durch. Es zerriß den Zuschauern fast das Herz, wie das blonde Häuflein Elend Bälle weder erlaufen noch gar treffen konnte, so matt war die Gute. 6:1 für Sukova: Steffi plumpste dannach wie ein nasser Sack auf ihren Stuhl.

Für dieses Match sollte sie nicht mehr aufstehen. Sie fühlte sich „dizzy“, teilte die Schwindelgeplagte den Schiedsrichtern mit. Schließlich, als ihr Gesicht immer mehr wie nasser Fensterkitt aussah, gab sie entkräftet auf. Große Aufregung in der Halle: Wird sie das Mixed spielen? Turnierdirektor Paul McNamee schien kurz vor dem Herzinfarkt, hatte er doch das Turnier vor allem mit der Tatsache promotet, daß Boris und Steffi in Perth das allererste Mal überhaupt zusammen ein gemischtes Doppel spielen.

Während Boris Becker im folgenden ohne große Probleme den Sandplatzspezialisten Novacek mit 6:2 und 7:6 abfertigte, versuchte dizzy Steffi, ihre schwindelnden Gefühle im nahegelegenen Hotel zu besänftigen. Immerhin mit dem Erfolg, daß sie, ohne erkennbar zu wanken, ins entscheidende Mixed einlief.

Die physische Präsenz war aber schon fast alles. Während Boris wahre Ritterlichkeit demonstrierte und Helena Sukova während des gesamten Spiels von seinen schlimmsten Geschossen verschonte, zeigte sich der grimmig dreinblickende Novacek wild zum Sieg entschlossen. Unbarmherzig klopfte er der armen Fieber-Steffi die Bälle um die Ohren, was das Zeug hielt. Als er ihr mit einer Brutalo-Vorhand den Schläger aus der Hand schoß, war mancher in der Halle kurz davor, diesem Rüpel eine Ohrfeige zu verpassen. So was macht man einfach nicht.

Denn daß die Tschechoslowaken gewinnen würden, war schnell klar. Nach jedem Seitenwechsel hing die bemitleidenswerte Graf dermaßen lethargisch im Stuhl, daß man wirklich nicht genau wußte, ob sie noch einmal aufsteht. Der standhafte Boris versuchte zwar ständig, die Arme etwas aufzumuntern, aber gegen die „Laßt-mich-alle-in-Ruhe“-Haltung einer Fieberkranken kommen auch Witze aus Leimen nicht an.

Beim 4:5-Rückstand im ersten Satz kroch Steffi schließlich mehr zum Seitenwechsel, als daß sie ging. Im nächsten Spiel verwandelte Novacek mit einem Macho-Aufschlag gegen Steffi den ersten Satzball — 6:4 für die CSFR.

Völlig am Ende schien das deutsche Team, als der aufschlagende Boris beim Vorlaufen böse umknickte und auf den Boden krachte. Fieber-Steffi und Humpel-Boris: Vor deutschen Fernsehern kullerten die ersten Tränen ob so viel gehäuften Unglücks. Aber Boris ist ein Fighter: Zähne zusammenbeißen und weiter. Bis zum 3:3 konnten die halbinvaliden Cracks noch gegen ihre vor Gesundheit strotzenden Gegner mithalten.

Doch als Steffi mit letzter Kraft zum Aufschlag schlich, nahm das Unheil endgültig seinen Lauf. Ihr saftloser Service wurde von Novacek und Sukova dankend zurückgedroschen. Zu null ging das Spiel verloren und in der Halle wurde es leiser und leiser. Dann schlug Helena Sukova mit dem zweiten Aufschlag ein As gegen Boris. Konnte es für Tennis-Deutschland überhaupt schlimmer kommen?

Bei 5:4 für die CSFR wehrten Influenza und Humpelchen zwar noch zwei Matchbälle ab, kurz darauf war es aber soweit: Mit einem trockenen Volley durch die Mitte von Macho Karel wurden die Finalträume der Deutschen, des Turnierdirektors und aller, die Eintrittskarten für das Endspiel haben, aufs traurigste zerstört.

Steffi schleppte sich sofort nach dem Spiel ins Hotel, wo sie wahrscheinlich wie eine Tote ins Bett fiel und 27 Stunden durchschlief. Boris konnte so richtig enttäuscht nicht sein. Schließlich hatte er jetzt mehr Zeit, sich um seine neue Freundin, die dunkelhäutige Barbara, zu kümmern. Sie wird dem sonnenbrandgeschädigten Becker nun die unter der australischen Sonne dringend erforderliche Sonnenmilch-Disziplin beibringen. Denn seine bereits reichlich angekokelten Beine „sehen wie zwei Karotten“ aus, scholt Barbara ihren neuen Schatz.

Wann genau Gemüse-Boris und Steffi Graf noch mal gemeinsam zum Mixed antreten, konnte der Leimener nicht sagen. „Aber ich glaube, daß wir nächstes Jahr wieder beim Hopman-Cup spielen“, machte er dem untröstlichen Turnierdirektor Hoffnung auf eine Neuauflage der Traumpaarung. Und dann werden sie es allen zeigen — gesund sind sie nämlich unschlagbar.

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