KURZKRITIK: BENNO SCHIRRMEISTER ÜBER COSÌ FAN TUTTE : In einem kargen Raum
Wer Neorokoko mag, ist falsch in dieser „Così fan tutte“-Aufführung: Regisseur Laurent Chétouane und Bühnenbildner Matthias Nebel ordnen den von Mozart und da Ponte 1789 in Opernform gegossenen Menschenversuch mit vier Probanden und zwei Epxerimentatoren cool in einem nur durch wenige Andeutungen markierten Raum an.
Das Experiment: Philosoph Don Alfonso – Christoph Heinrich singt ihn lauernd-gefühlvoll – beweist dank der souveränen Bediensteten Despina, dass es keine unlösliche menschliche Bindung gibt, keine ewige Treue: Versuchspersonen sind die Schwestern Fiordiligigi und Dorabella sowie ihre Verlobten. Sie bewegen sich durch einen kargen Raum, frei von jedem überflüssigen Gegenstand. Bedrohlich ungewiss ist dessen künftige Ordnung. Die alten Konventionen aber, die ihn bestimmen, sind schon ruiniert: So spielen die Philharmoniker auf dem abgedeckten Orchestergraben. Dessen zerflexter Rand ist zu Barrikaden zusammengeschoben. Und im Hintergrund blasen Riesenventilatoren den Wind der Geschichte durchs Haus.
Teile des Publikums reagieren auf diese Reduktion mit wütenden Buhs. Vielleicht hätte etwas Plüsch die Lage entschärft. Die Kunst aber gewinnt durch solche Kompromisslosigkeit, die, plastisch wie nie, jene Hochspannung zwischen dem Libretto und der in fast durchgängiger Dissonanz zu ihm komponierter Musik freilegt: Wundervolle Sängerinnen, inspiriertes Orchester – und ein Sturm, der Staub und Kitsch wegweht.