: In eigener Sache
■ Zum Paragraph–130a–Prozeß gegen die taz
Daß der Überbringer schlechter oder unbequemer Nachrichten als deren Verursacher geprügelt wird, dagegen haben kritische Medien ständig zu kämpfen. Und als die taz im deutschen Herbst 1977 als Zeitung gerade auch gegen die amtlich verordnete Nachrichtensperre und gegen das opportun erscheinende Schweigen der Medien gegründet wurde, war klar, daß sie damit keinen bequemen Weg gehen würde. Die taz hat sich seitdem den Anspruch gesetzt, auch gesellschaftliche Ereignisse und Prozesse darzustellen, die in der Berichterstattung anderer Medien ausgeblendet werden. Dazu gehörte und gehört für die taz auch eine Auseinandersetzung mit militanten Gruppen oder Protagonisten eines bewaffneten Kampfes, die sich keiner Öffentlichen Diskussion stellen können oder wollen. Wir haben deshalb in der Vergangenheit immer wieder Bekennerbriefe zu Anschlägen und bewaffneten Aktionen dokumentiert und versucht, in eine öffentliche Auseinandersetzung z.B. auch mit Gruppen wie der RAF einzutreten. Wer glaubt, man könne die Frage des bewaffneten Kampfes oder des Terrorismus dadurch aus der Welt schaffen, daß man die Augen davor verschließt, sollte längst durch die Wirklichkeit eines besseren belehrt sein. Und wer als Journalist/in über einen Teil der gesellschaftlichen Realität nicht mehr berichtet und ihn damit ausschließlich Polizei und Justiz überläßt, hat den Beruf verfehlt. Die taz jedenfalls wird sich nicht verbieten lassen, mit authentischen Dokumentationen und Interviews auch das Handeln illegaler Gruppen - nicht nachahmbar -,aber begreifbar und kritisierbar zu machen. Und zu diesem Begreifen und Kritisieren gehört auch, in ungefilterter Form lesen zu können, welche Sprache dort gesprochen wird und welche politischen Ideen dort das Denken bestimmen. Daß gerade die taz sich sehr kritisch mit diesem Denken auseinandersetzt, hat sie seit ihrem Bestehen immer wieder unter Beweis gestellt. Wenn jetzt erstmals an der taz der u.a. eigens für sie geschaffene Paragraph 130a erprobt wird, sollte nicht sie ihre bisherige Arbeit überdenken, sondern die Medien, die von diesem Gesinnungsparagraphen wahrscheinlich nie betroffen sein werden. Bei dieser neuen Strafvorschrift geht es nicht um verbotenes Handeln, sondern um staatlich verordnete Denkverbote. Vor Gericht steht nicht eine konkrete Tat, sondern eine Publikation, deren Strafbarkeit sich ausschließlich an der vermuteten politischen Gesinnung ihrer Veröffentlicher mißt. Deshalb geht es bei dem jetzt anstehenden Prozeß nicht in erster Linie um die Einschüchterung und den Druck auf die taz. Auf dem Spiel steht, ob die Öffentlichkeit in Zukunft Gesetzesmachern, Richtern und Staatsanwälten das Definitionsmonpol darüber zugesteht, worüber in diesem Land diskutiert werden darf und worüber nicht. Die Redaktion
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