: In die Knie geschossen
■ Anschlag auf Leiter der Berliner Ausländerbehörde, Harald Hollenberg / Motiv und Täter gestern abend noch unbekannt / Vorwürfe gegen Hollenbergs Amtsführung
Aus Berlin Thomas Rogalla
Auf den Leiter der Ausländerbehörde im Einwohnermeldeamt Berlin, Harald Hollenberg, ist gestern morgen ein Anschlag nach Art der Roten Brigaden verübt worden. Als der 54jährige seinen weißen Mercedes besteigen wollte, bemerkte er nach Angaben der Polizei direkt hinter sich eine Person. Als er sich umdrehte, schoß ihn eine junge Frau wortlos mit einer Pistole in den linken Unterschenkel. Sekunden später verletzte ein unbekannter Mann auch das rechte Bein durch einen Schuß. Die Täter flüchteten zunächst mit einem Klappfahrrad, dann mit einem in der Nähe geparkten Auto, das von einer dritten Person gesteuert wurde. Beim Wegfahren wurden sie von einem Zeugen beobachtet, der angab, daß die Täter/innen Perücken vom Kopf nahmen. Das vermutliche Fluchtauto wurde wenig später brennend aufgefunden. Hollenberg wurde sofort mit einem Steck– und einem Durchschuß in ein Krankenhaus eingeliefert, Lebensgefahr besteht nicht. Welche Motive dem Anschlag zugrunde lagen, war gestern nachmittag noch unklar. Einen Bekennerbrief gab es zunächst nicht. Fortsetzung auf Seite 2 Auch stand nicht fest, ob es sich bei den Tätern um Deutsche oder Aus länder handelte. Ein Sprecher der Bundesanwaltschaft schloß gegenüber der Agentur ap nicht aus, daß es einen Zusammenhang zwischen dem Berliner Anschlag und dem auf die Lufthansa–Verwaltung in Köln gibt. Auch dort sei es um die Asyl– und Ausländerproblematik gegangen (Siehe Bericht auf Seite 5). Der Leitende Regierungsdirektor Hollenberg war seit 1972 Leiter der Berliner Ausländerbehörde. Ende 1982 wurde er in die Führerscheinbehörde strafversetzt, nachdem bei den Ermittlungen eines Untersuchungsausschusses des Abgeordnetenhauses Vorwürfe laut wurden, er habe ausländische Mandanten seines CDU–Freundes und Anwaltes Schmitz bevorzugt behandelt. Als „Akt der Fürsorge“ wurde Hollenberg vom damaligen Innensenator Lummer 1985 wieder auf seinen Posten bei der Ausländerbehörde zurückversetzt, gegen den entschiedenen Widerstand der Oppositionsparteien AL und SPD, die Hollenbergs rigide Amtsführung kritisierten. Unter Hollenbergs Amtsführung blieb die Ausländerbehörde wegen Abschiebung von schwangeren Ausländerinnen, Verhinderung von Familienzusammenführungen und der engstirnigen Auslegung der Gesetze stets in den Negativ– Schlagzeilen. Innensenator Kewenig, der den Anschlag auf Hollenberg gestern verurteilte, bescheinigte Hollenberg, daß dieser „seine Aufgaben, die ihm der Staat übertragen hat, jederzeit pflichtbewußt und in vollem Einklang mit dem geltenden Recht erfüllt hat“.
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