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„In der Schule krieg ich alles“

■ Junge Union podiumsdiskutiert Drogenpolitik und fordert „Abschreckungswall“

In klassischem Schick kamen die FreundInnen der Jungen Union zu deren Podiumsdiskussion mit Parteivertretern „Freie und Drogenstadt Bremen“ ins Bürgerhaus Weserterassen. Und sie erlebten einen Fraktionsvorsitzenden Peter Kudella (CDU), der gegen die „lasche Drogenförderpolitik“ Bremens als einem Reservat für kurdische Dealer schwadronierte. „Nachsicht ist ein Holzweg, Sie mit ihrem liberalen Gefasel“, präsentierte Kudella seine Argumentationsschiene. Horst Isola (SPD) bezog Gegenposition: „Obwohl sie eigentlich die folgerichtige Konsequenz aus dem Scheitern repressiver Maßnahmen gegen Drogen wäre, ist die Legalisierung harter und weicher Drogen weder in den Bundesländern, geschweige denn in Europa durchsetzbar. Bremen würde sich damit nur lächerlich machen. Legalisierung hat zur Zeit nur Sinn für kleine Gruppen von Konsumenten, die sich sonst nicht mehr helfen können.“

Zur „law and order-Seite“ der Maßnahmen gegen den explodierenden Drogenmarkt hatte nur der Mann aus der Praxis, Drogen

dezernatsleiter und Polizeigewerkschafter Michael Haase, Gewichtiges beizusteuern: Um an die organisierte Wirtschaftskriminalität der Drogengroßverdiener heranzukommen, fehle der Kriminalpolizei das rechtliche Instrumentarium: „Gespräche von Zuhältern, die im großen Stil die Arbeitsmoral der Prostituierten mit Strompillen fördern oder Absprachen von Drogenbossen in den Weserterassen können nur mit Wanzen oder Richtmikrophonen zugänglich werden. Ohne erweiterte Rechtsgrundlage bleibt die Polizei das, was sie immer war, ein Vollzugsorgan von Klassenjustiz. Denn zu 90% klärt sie Delikte der armen Schweine auf und läßt Korruption, Bestechung und Mafiastrukturen im Verborgenen blühen.“ Beifall spendierten die Jugendlichen der JU darauf, während Martin Thomas (Grüne) und Horst Isola warnend die Zeigefinger hoben: In den USA seien ganze Feldzüge von Marine, Heer und Luftwaffe gegen Drogenkriminelle letztlich mehr als erfolglos geblieben, hätten doch die GI's das erbeutete Heroin verdealt und verschoben.

Gegen Korruption gäbe es keine polizeiliche Handhabe, betonte dann auch Horst Isola.

Und Martin Thomas unterstrich: „Aufklärung von Drogenhandel als Straftat ist doch an sich nicht mehr als Flickwerk am letzten Glied der Kette. Die Ursachen von Phänomenen wie Skinheads, Hooligans, Sektenanhängern, Nikotin-, Alkohol-, Tabletten-, und Heroinsucht werden doch politisch kaum thematisiert.“ Das „Loch in der Kindheit“ werde immer genannt, die Sinnkrise der Gesellschaft fände jedoch keinen Eingang in die politische Drogenkonzeption, meinte eine Diskutantin aus dem Publikum. Suchtstrukturen bei Kindern würden viel zu wenig in ihrem Entstehungszusammenhang untersucht. Rasterfahndung und Abhörung wurden als Gespenster eines Polizeistaates an die Wand gemalt, doch die CDU-Jugend wünschte sich einen drohenden Abschreckungswall um die Droge herum: „Bei uns in der Schule kennt jeder Leute, die ihm alles besorgen können. Da kann ich alles mal probieren. Wie schrecken Sie mich denn davon ab?“

gürt

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