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In der Liebe übers Wasser gehen

■ »Älskap« — ein schwedisches Stück über die Liebe von der Bestsellerautorin Märta Tikkanen im Modernen Theater

Mit der Liebe ist es eigentlich immer das gleiche. Ob man Mitte vierzig ist oder siebzehn: wenn es uns erwischt, wenn wir uns so richtig verlieben, ist es immer wieder, als wäre es das erste Mal.

In einem Raum, der überall auf der Welt sein könnte, treffen eine Frau und ein Mädchen aufeinander. Das Mädchen hat zum ersten Mal den Mann seines Lebens getroffen und fiebert der ersten Verabredung entgegen. Die Frau hat schon einige Tiefschläge hinter sich. Auch sie hat sich neu verliebt und weiß nun nicht, ob sie noch einmal den Mut aufbringen soll, diese Liebe auch zu leben. Jede der Frauen geht ihren Gedanken für sich allein nach. Sie scheinen einander nicht zu sehen und hören sich gegenseitig auch nicht zu.

Ein Monolog löst den anderen ab. Je länger sie allerdings vor sich hinreden, desto öfter trifft ein Wort oder ein Satzfetzen die andere: langsam gehen sie aufeinander ein. Im Laufe der Zeit entwickelt sich eine Nähe und Gemeinsamkeit — Älskap im Schwedischen —, für die es in der deutschen Sprache keinen adäquaten Begriff gibt.

Das Mädchen beschreibt seine Erwartungen und Hoffnungen für das berühmte erste Mal; die Frau zieht Bilanz ihrer unterschiedlichen Erfahrungen. Beiden gemeinsam ist der Wunsch, sie selbst zu bleiben, sich trotz Hingabe nicht aufgeben zu müssen. Am Ende finden sie für diesen Wunsch gemeinsam ein Bild: sie träumen davon, übers Wasser gehen zu können.

Das Moderne Theater in Schöneberg hat unter der Leitung von Ingrid Ernst mit Älskap die deutsche Erstaufführung des Stückes von Märta Tikkanen (bei uns vor allem durch ihren Roman Wie vergewaltige ich einen Mann? bekanntgeworden) herausgebracht. Der Raum, in dem sich die beiden Frauen treffen, ist schlicht, sparsam möbliert (nur zwei Tische und ein paar Stühle) und schummrig beleuchtet. Wenn sich die Tür öffnet, hört man von fern das Rauschen des Meeres.

Das Mädchen betritt den Raum als erste. Katarina Panzner spielt einen impulsiven Teenager, deren Garderobe schon Eigenwilligkeit verrät: Radlerhosen, kombiniert mit weitem Hemd und hochhackigen Pumps. Auf dem Kopf eine Schirmmütze. Sie ist selbstbewußt und nimmt den Raum für sich ein, als wäre es ihr Zuhause. Um ihren Gefühlen Ausdruck zu verleihen, schreit sie schon mal kräftig los und scheut sich auch nicht, einige Möbelstücke umzuwerfen oder ihre Partnerin unsanft aus dem Weg zu räumen.

Ingrid Ernst ist eine Dame, in hellem Seidenkleid und passendem Hut, die sich vorsichtig und beherrscht in diesem Raum, der ihr fremd zu zu sein scheint, orieniert. Zu Beginn passiert es ihr, daß sie sich auf einen Stuhl setzt, der so hoch ist, daß ihre Beine in der Luft baumeln. Irritiert steht sie fortan lieber. Sie begegnet ihrer Geschichte mit ironischer Distanz, als wundere sie sich über das, was ihr passiert ist.

Beide Schauspielerinnen bemühen sich, den Gegensatz zur anderen deutlich zu machen. Das führt dazu, daß das Mädchen manchmal so kräftig reagiert, daß die Zuschauer regelrecht erschrecken und die Frau in ihrer vernünftigen Art, mit den Dingen umzugehen, arg betulich wirkt.

Die Inszenierung vermittelt sehr schön und bei aller Gemeinsamkeit der beiden Frauen eine altbekannte Binsenweisheit: Mag der Wunsch nach Liebe auch unabhängig vom Alter sein, es gehört eine gewisse Lebenserfahrung dazu, mit der Liebe fertigzuwerden. Man muß schon ein bißchen älter sein, bevor man übers Wasser gehen kann. Sibylle Burkert

Weitere Vorstellungen: heute, 21.6., 26.-28.6.; jeweils 20.30 Uhr, Modernes Theater, Merseburger Straße 3.

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