In der EU nicht zugelassene Pestizide: Exportverbot mit Schlupflöchern

Ackergifte, die in der EU verboten sind, sollen auch nicht exportiert werden dürfen. Kleinbauern im Globalen Süden begrüßen das grundsätzlich.

Cem Özdemir steht zwischen Bäumen mit einem Apfel in der Hand

Das von Cem Özdemir geplante Ausfuhrverbot ist schon mal ein guter Plan. Kann er noch drauflegen? Foto: Julian Rettig/imago

BERLIN taz | 274 Menschenrechts-, Kleinbauern- und Umweltorganisationen aus dem Globalen Süden unterstützen das von der Bundesregierung geplante Exportverbot von hierzulande untersagten Pestiziden.

In einem Brief an Agrarminister Cem Özdemir danken sie dem Grünen-Politiker für seine Ankündigung, Ausfuhren von gesundheitsschädlichen Pflanzenschutzmitteln zu verbieten, die in Deutschland produziert werden, aber in der EU nicht eingesetzt werden dürfen. Unterzeichner sind zum Beispiel die Sektion des Pestizid Aktions-Netzwerks im asiatisch-pazifischen Raum und der brasilianische Verband des FoodFirst Informations- und Aktions-Netzwerks.

„In unseren Ländern sind die Gesundheit und die Lebensgrundlagen der Menschen durch hochgefährliche Pestizide bedroht, die in der EU verboten sind“, heißt es in dem Schreiben, das der taz vorliegt. Mit einem Exportverbot werde Deutschland seine Verpflichtungen aus internationalen Abkommen erfüllen, „Menschen im Ausland vor Menschenrechtsverletzungen zu schützen“. Weltweit vergiften sich Umweltschützern zufolge jährlich 385 Millionen Menschen akut mit solchen Pestiziden. 11.000 Erkrankte würden in der Folge sogar sterben – vor allem im Globalen Süden. Weitere erkrankten zum Beispiel an Krebs.

Allerdings verlangen die Organisationen aus 54 Ländern in Afrika, Lateinamerika und Asien von Özdemir, dass er nicht nur wie bisher geplant die Ausfuhr kompletter Pestizidprodukte unterbindet, sondern auch die von Wirkstoffen in purer Form. Sonst könnten die Unternehmen einfach Wirkstoffe ausführen, die dann im Einfuhrland zusammen mit anderen Substanzen zu einem Pestizidprodukt gemischt werden, warnen die Verbände. Zudem sollten zusätzlich Substanzen ins Visier genommen werden, die wegen ihrer Gefahr für die Umwelt verboten worden sind. Letzteres gibt der Vertrag der Ampelkoalition jedoch nicht her.

Özdemir: „Keine Doppelstandards“

„Der überwältigend breite, internationale Zuspruch für unsere Politik bestärkt uns darin, ein Exportverbot schnellstmöglich umzusetzen“, sagte Özdemir der taz. „Wenn Deutschland ein echter Partner des Globalen Südens sein will, können wir Doppelstandards nicht weiter zulassen.“ Außerdem würde ein Exportverbot „ein Stück weit mehr Fairness im Wettbewerb“ für deutsche LandwirtInnen schaffen, wenn die Produkte auch anderswo nicht mehr eingesetzt werden dürfen. „Frankreich und die Schweiz gehen diesen Weg bereits, und ich werbe dafür, dass sich uns weitere Länder anschließen“, so Özdemir.

Eine Verordnung für das Exportverbot „soll nach Möglichkeit im ersten Halbjahr 2023 verabschiedet werden“, teilte sein Ministerium mit. Den Referentenentwurf hatte es für Ende dieses Jahres angekündigt.

Deutschland hat dem Agrarministerium zufolge im vergangenen Jahr 8.525 Tonnen Pfanzenschutzmittel exportiert, die in der EU nicht genehmigt sind. Etwa 160 der Substanzen seien Wirkstoffe mit potenziell gesundheitsschädlichen Eigenschaften. Insgesamt trägt die Bundesrepublik nach Angaben von Umweltorganisationen 9,5 Prozent zum globalen Pestizidexportgeschäft bei.

Kritik der Hersteller

Der Industrieverband Agrar, der die deutschen Pestizidhersteller vertritt, lehnt ein Ausfuhrverbot aller in der EU nicht zugelassenen Pflanzenschutzmittel ab. „Denn es würde die importierenden Länder wichtiger Hilfsmittel zum Schutz ihrer Ernten und damit der Ernährungssicherheit berauben“, schrieb ein Sprecher der Organisation der taz bereits im September. Für zahlreiche Pestizide würden in der EU Zulassungen gar nicht erst beantragt, weil die betreffenden „Kulturpflanzen hier nicht angebaut werden oder die Schädlinge hier nicht vorkommen“.

Ein erheblicher Teil der betroffenen Exporte gehe in Industriestaaten wie die USA, Kanada oder Japan. „Diese Länder haben robuste Zulassungsverfahren, die sich allerdings von dem der EU unterscheiden.“ Silke Bollmohr, Welternährungsreferentin des entwicklungspolitischen Netzwerks Inkota, wandte dagegen ein, es handele sich durchaus auch um Wirkstoffe, die in der EU jahrelang genehmigt waren und dann aufgrund neuer Erkenntnisse ihre Zulassung verloren hätten.

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