: In der Blumenstadt
Grüne, lächelnde Baumasse: Die Gehag zeigt den Architekten Bruno Taut und seine freundlichen Häuser ■ Von Katrin Bettina Müller
Manches erkennt man aus der Ferne besser. Vor wenigen Jahren entdeckte der Architekturhistoriker Akira Hasegawa aus Tokio den Grund für die Sehnsucht des Architekten Bruno Taut nach Farben: „Das Leben in Deutschland ist extrem arm an Licht. Den langen Winter hindurch sehnt sich ein jeder wartend nach dem von Helle überfließenden Frühling.“ Höchste Zeit also, in diesen kurzen Dezembertagen einen Blick auf Tauts Farben zu werfen.
Über seinem Arbeitstisch hielt Taut das Licht auch im Winter gefangen. Gelb wie die Sonne war die „Arbeitsnische“ in seinem Wohnhaus in Dahlewitz (1926/27) gestrichen, und gelb stachen die Heizkörper von roten und blauen Wänden ab. Die roten Wände lagen komplementär zum Grün des Gartens den Fenstern gegenüber. Zur Straße hin zeigte das Haus, das auf einem viertelkreisförmigen Grundriss stand, schwarze Mauern, zum Garten hin nahmen weiße Wände das Sonnenlicht in Empfang.
Der Durchdringung von Innen- und Außenraum in den Farbkonzepten Tauts widmet die Wohnungsbaugesellschaft Gehag eine Ausstellung anlässlich ihres 75-jährigen Bestehens. In ihrem Auftrag hat Taut in den Zwanzigerjahren die Waldsiedlung Zehlendorf, die Wohnstadt Carl Legien am Prenzlauer Berg und die Hufeisensiedlung Britz geplant, die bis heute als Zeugen für die humanistischen Absichten der Moderne angeführt werden. Tauts Ruhm verpflichtet: In den Neunzigerjahren ließ die Gehag seine Farbkonzepte durch das Büro Winfried Brenne rekonstruieren.
1996 erwarb die Gehag den Nachlass des Architekten und schenkte ihn dem Archiv der Akademie der Künste. Aus diesem Fundus stammen die frühen Pastelle Tauts von 1903, als er an Wochenenden in Chorin Wälder und Seen malte. In diesem grünen Dämmerlicht wurzelt seine Farbpalette, später explodieren die Farben. „Die Stadtkrone“ heißt ein Aquarell aus der Zeit der Steigerungen ins Fantastische: Man weiß nicht, ob man da den Grundriss eines Schlosses inmitten von Blumenrabatten betrachtet oder den Idealplan einer Gartenstadt.
Die Ausstellung beginnt mit der Feier der Natur in der Architektur: In dem Glashaus, das er 1914 für die Werkbundausstellung Köln entwarf, inszenierte Taut eine Apotheose des Lichts. Ein Modell des Kuppelbaus mit farbigen Fenstern, Klinkerornamenten und Kaleidoskop-Effekt rekonstruiert den Farbenrausch. Teile der Rauten- und Rhombenmuster tauchen an den Fassaden der zur gleichen Zeit gebauten Gartenvorstadt „Am Falkenberg“ wieder auf. Ein Baukasten mit farbigen Glassteinen verweist auf die pädogischen Absichten des Architekten: „Das bunte Glas zerstört den Hass.“
„Farbe ist nicht teuer, aber Farbe ist Lebensfreude“, schrieb Taut 1919 im „Aufruf zum farbigen Bauen“. Verteidigen musste er die lebhafte Gestaltung immer wieder. Dabei zeigen die Zeichnungen, Maquetten und Fotografien der Rekonstruktionen, dass bis heute die warme Ausstrahlung und schöne Rhythmisierung funktioniert, die jede „Baumasse“ in individuelle Einheiten zerlegt. Fotografien von Türen aus der Magdeburger Gartenstadtkolonie Reform belegen diese Sorgfalt. In ihnen nimmt eine konstruktive Malerei unmittelbar Platz im Leben, ohne mit ihrem Kunstcharakter zu protzen. Es war nicht zuletzt die Farbe, die den über 10.000 von Taut entworfenen Sozialwohnungen ihr freundliches Gesicht verliehen hat.
Gehag, Mecklenburgische Str. 57, 14197 Berlin, bis 24. Februar: Montag bis Freitag, von 9 bis 18 Uhr
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