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In den Schredder

■ Was von der Mauer übrig ist: die Dokumentation „Nach dem Fall“

Die Medien lassen nur ungern ein Jubiläum aus. So ist es in diesem Jahr wenig verwunderlich, dass Ströme von Features und Rückblenden den Blick der Öffentlichkeit auf den 50. Geburtstag des verstorbenen Patienten DDR lenken – und auf sein Todesdatum: den Fall der Mauer vor 10 Jahren. Bis zum Erbrechen sieht man immer wieder die gleichen Bilder vom Mauerbau, von dramatischen Fluchten und von Grenzern, die durch Ferngläser starren.

Der Dokumentarfilm „Nach dem Fall“ verlässt sich abseits von diesem Bildmüll auf eine andere Erinnerung. Nicht, was damals war, hat Eric Black und Frauke Sandig interessiert, sondern was jetzt noch zu finden ist von der Mauer. Dabei geraten sie an Figuren wie den vom Stasibeamten zum Mauerexperten gewandelten Hagen Koch und andere Zeitzeugen. Der Amerikaner Brian Ladd zum Beispiel fährt mit dem Fahrrad an den Kränen des Potsdamer Platzes vorbei. Er findet Berlin toll wegen seiner „Geister“. Die etwas freakige Gestalt mit Trenchcoat, Vollbart und eigenartigem Hut entpuppt sich als Historiker. Warum gerade er einer der Experten zur verschwundenen Mauer sein soll, bleibt allerdings verborgen.

Der bayerischer Abbruchunternehmer Winfried Prem ist da von anderem Kaliber und fühlt sich mit Recht als Sieger der Geschichte. Ohren wie ein Osterhase habe er gekriegt, als er hörte, dass die Mauer wegkommen soll. Ein Lebenstraum ging in Erfüllung: Er durfte tatsächlich die Mauer für den Straßenbau schreddern.

Ein englisches Apothekerpaar verhökert Mauerreste gar als homöopathisches Mittel: Die Steine hätten finstere Energie. Als sie von der Verwendung der Trümmer im Straßenbau hörten, befürchteten die Apotheker allerdings, die finstere Energie könnte sich ausbreiten.

Und eine Psychoanalytikerin hält die Teilung Deutschlands für eine gerechte Strafe, der Film findet große, schöne Bilder, und auch die klassische Musik passt dazu.

Was ich am Anfang über die Abnutzung von Bildern schrieb, gilt leider auch für bestimmte Personen. Zu oft hat man den Mauerexperten Hagen Koch schon in Talkshows gesehen. Nicht, dass seine Mauerkompetenz anzuzweifeln wäre. Er posiert in der nachgebauten Grenzanlage für den Film Sonnenallee in DDR-Uniform und sagt: „Die Uniform ist meine ehemalige eigene.“ Kann man eine ehemalige Uniform tragen?

Insgesamt aber haben wir mit „Nach dem Fall“ einen schönen, sauber gearbeiteten Dokumentarfilm, den man wegen seiner großen Bilder im Kino sehen sollte. Und in dem Moment, als der Film langatmig zu werden beginnt, ist auch schon Schluss. Falko Hennig

„Nach dem Fall“, Regie: Eric Black und Frauke Sandig, Deutschland 1999, 85 Minuten.

Ab morgen in den Hackeschen Höfen

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