: In den Himmel zitiert
■ Der amerikanische Sänger Terry Callier im RB-Sendesaal
Ein ganzes Konzert voller Hymnen, ist das zu ertragen? Der Sänger und Songwriter Terry Callier aus Chicago spielte am Freitagabend auf seinem von „Sparkasse in concert“ organisierten Auftritt nur in einer Kategorie: Weihelied.
Die Titel seiner Songs sagen schon alles: „Freedom & Justice“, „Coming up from Babylon“, „Step into the Light“, „Keep Your Heart Right“. Ein Liebeslied wie „I'd Rather Be with You“ war fast schon zu weltlich für diesen Auftritt. Aber der schwarze Musiker sang so beseelt, war so identisch mit der himmlischen Grundstimmung seiner Songs, dass das Publikum mitgerissen wurde.
Der Ton war lieblich, aber nie kitschig. Callier ließ sich jeweils tief in die Songs fallen, arbeitete viel mit Wiederholungen und minimalistischen Variationen, so dass die Interpretation immer spannend blieb. Zum Schluss hin arbeitete er gerne mit musikalischen Zitaten, die wie Verbeugungen vor den Musikern wirkten, die ihn beeinflussten. So erklangen etwa kurz ein paar Rhythmusfragmente aus „Brasil“ oder Harmonien von Burt Bacharach – gerade so lange, dass man sie erraten konnte.
Callier spielte selber die Gitarre und trat mit zwei Begleitmusikern auf, mit denen er schon seit langem spielt, und wohl auch deshalb klang seine Musik wie aus einem Guss. Eric Hardberg spielte einen sehr organisch klingenden, melodischen E-Bass und der Perkussionist Pin McGee sang zum einen oft mit Falsett die Begleitstimme und bereicherte zum anderen die Songs mit vielen Soundeffekten wie Vogelgezwitscher, Klötern, Bimmeln, Rasseln, Pfeifen usw. Oft entlockte er einem von seinen Instrumenten jeweils nur einen Ton, ein „Bing“ zum Beispiel, das dann aber genau passte. Mit diesen barocken Klangverzierungen stahl er manchmal Terry Callier regelrecht die Show, und auch seine exzentrische Bühnenpräsenz wirkte sehr unterhaltsam. Besonders bei den Zugaben fragte man sich, ob er bekifft oder schlicht von der Musik in himmlische Sphären transportiert worden war.
Terry Callier galt vor fünf Jahren in den USA als völlig vergessener Musiker und sein wiederholtes Lamentieren über die Plattenfirma, die ihn feuerte, war der einzige Missklang des Abends. Vor einiger Zeit entdeckten ihn die Acid-Jazzer in britischen Clubs, die seinen süffigen, spacigen Sound sehr schätzen. Jetzt ist er in Europa wieder ein Geheimtipp, zurzeit ist er der „special guest“ bei der Tournee von Dee Dee Bridgewater. Eine schöne kleine Wiederentdeckung im Sendesaal von Radio Bremen.
Wilfried Hippen
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