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Archiv-Artikel

In Zukunft nicht mehr bombensicher

Innenbehörde will Kampfmittelräumdienst auflösen und privatisieren, um 1,2 Millionen Euro zu sparen.SPD-Opposition zweifelt an den Einsparmöglichkeiten und befürchtet niedrigeres Niveau der privaten Entschärfer

von Kai von Appen und Andreas Speit

Baggerführer Klaus Peters (Name geändert) ahnt nichts Böses, als er mitten in St. Pauli die Grube für eine Versorgungsleitung aushebt. Doch in einem Meter Tiefe schreckt ihn Metallgeknirsche plötzlich auf. Bei genauem Inspizieren entpuppt sich der verrostete Metallkörper als 500 Pfund schwere US-Minenbombe, die dort 60 Jahre im Erdreich gelegen haben muss. Kein Einzelfall: „In der Elbmetropole gibt es noch rund 3.000 große Bombenblindgänger, das sind 360 Tonnen Sprengstoff – toxisch und Krebs erregend“, sagt Peter Bodes vom Personalrat der Feuerwehr Hamburg. „Weiterhin liegen noch etwa 30.000 Brandbomben als Blindgänger im Boden.“

Eigentlich müssten Sprengmeister Peter Voß und seine 14 Männer vom Kampfmittelräumdienst in Zukunft also viel Arbeit vor sich haben. Aber nur eigentlich. Innensenator Udo Nagel (parteilos) plant den Kampfmittelräumdienst aufzulösen. Auf der Basis der Jesteburger Sparbeschlüsse will er die Bombenentschärfung in Hamburg in private Hände geben. Und das, obwohl der Bau der Hafencity auf einem Areal geplant ist, das im Krieg Ziel massiver Bombenangriffe war. Wie die Privatisierung laufen soll, ist noch unklar: „Experten entwickeln gerade Vorstellungen“, sagt Innenbehördensprecher Marco Haase.

Nach den Befürchtungen der Gewerkschaft ver.di würde die Stadt durch die Privatisierung hoheitliches Handeln und die fachliche Kontrolle aus der Hand geben. „Auf 15 Millionen Quadratmetern müssen noch militärische Altstandorte untersucht werden“, berichtet Bodes weiter, „eine Besonderheit, da Hamburg eine Stadt mit Festungslinie war“. Insgesamt mussten die Sprengmeister seit Kriegsende bis zum Jahr 2003 als Kriegsfolgen 11.000 Sprengbomben aller Kaliber entschärfen und 14.000 Brandbomben und 290.000 Granaten beseitigen. 15.000 Mal mussten in der Vergangenheit die Entschärfer der Polizei eingreifen. Sie haben noch heute Tag- und Nachtbereitschaft. Bodes: „Mit der Privatisierung verliert die Hansestadt die Kontrolle über die Räumung von Sprengstoff.“

Unklar ist auch, was mit den 28.000 alliierten Luftbildern passiert. Vor einigen Jahren haben die Alliierten die Fotos dem Kampfmittelräumdienst zur Ortung von Blindgängern zur Verfügung gestellt. Keiner weiß, ob sie das private Unternehmen übernehmen kann oder will.

Feuerwehrexperten bezweifeln indes, ob der vom CDU-Senat angestrebte Spareffekt von 1,2 Millionen Euro überhaupt erbracht werden kann. Denn durchschnittlich erstattet der Bund jährlich 800.000 Euro als Kostenbeitrag für den Hamburger Kampfmittelräumdienst, rechnet ver.di-Fachbereichsleiterin Sieglinde Frieß vor. „An Private zahlt der Bund keinen Cent.“

So sieht es auch der innenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion in der Bürgerschaft, Andreas Dressel: „Eine Privatisierung, – das haben Feuerwehrexperten berechnet – wird für die Stadt unter dem Strich teurer. Gleichzeitig ist höchst fraglich, ob die Arbeit der Entschärfer auf dem hohen Niveau fortgesetzt werden kann.“

Die SPD wird daher das Thema kommende Woche in den Innenausschuss einbringen. „Das ist kopfloses Sparen“, schimpft Dressel. Dabei möchte er den Diskussionsansatz der Feuerwehr einbringen, über Gebühren den Kostendeckungsgrad zu steigern. „Wer bauen oder investieren will, sollte einen angemessenen Beitrag leisten, um vor Blindgängern sicher zu sein“, regt der SPD-Mann an. Er wolle damit aber keine Investitionshemmnisse schaffen. Doch eines ist für ihn klar: „Der Innensenator sollte diese Sparbombe in seinem Haus schleunigst entschärfen.“