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In Rekordlaune

Kurzbahn-Weltcup in Berlin: Viele Bestzeiten fallen, ernst wird es für die Schwimmelite aber erst bei der EM Ende Juli

Der Schwimmer liebt die Kurzbahn. Denn er kommt nach nur 25 Metern am Beckenrand an, darf sich dort schwungvoll abstoßen und unter Wasser neue Fahrt aufnehmen. So leicht hat er es über 50 Meter nicht. Er schwimmt somit auf der Halbdistanz hurtiger und stellt viele neue tolle Rekorde auf. Obendrein steckt sein Körper in hybriden Haihäuten – kaum ist er ins Wasser gehechtet, schlägt er auch schon wieder ans Ziel. Das Schnellschwimmen wird in dieser Saison durch Preisgelder beschleunigt, die so hoch sind wie nie zuvor.

Zum Finale der Kurzbahnsaison am Wochenende in der Berliner Schwimmhalle an der Landsberger Allee wurden mehr als 200.000 Euro sowie ein Kleinwagen an die Schwimmer vergeben. Da lockt es dann auch mal die Weltelite ins Kinderbecken.: 9 Olympiasieger, 33 Welt- und 47 Europameister. Wurden in den bisherigen acht Weltcups sechzehn Weltrekorde aufgestellt, so kamen in Berlin weitere sieben hinzu. Der überragende Sportler war hierbei der US-Amerikaner Edwin Moses, der von Bestmarke zu Bestmarke taucht. Sein simples Geheimnis: „Ich habe einen sehr langen Beinschlag und gleite lange.“

Das Feld teilte sich am Wochenende in zwei Gruppen. Die eine versuchte, an den Jackpot heranzukommen, die andere, die Form zu testen. Erstere schwamm gegen die Uhr. Letztere ließ wiederholt den Satz fallen, man komme „aus dem vollen Training“ heraus. Der Saisonhöhepunkt folge ohnehin erst Ende Juli – mit den Langbahn-Europameisterschaften. „Wir wollten ein Signal setzen für die EM“, bilanzierte Ralf Beckmann, der Cheftrainer des Deutschen Schwimm-Verbands (DSV).

Bei den Kurzbahn-Europameisterschaften in Antwerpen im Dezember lag das deutsche Team vor den anderen Nationen – ein Indiz des Aufschwungs. „Wir sind dort in die Führungsposition geschwommen“, freute sich Beckmann. Eine „Produktionsanstalt für sensationelle Positivnachrichten“ sei die DSV-Truppe noch nicht, aber immerhin sei das Desaster von Olympia überwunden. „In Sydney gab es einen Leistungsausrutscher“, meinte Beckmann. Dessen Reparatur sorge für „Beruhigung und Beunruhigung, weil wir uns auch eine gewisse Verpflichtung auferlegen.“

In Berlin konnte vor allem Thomas Rupprath beeindrucken, über 100 Meter Schmetterling verbesserte der Wuppertaler gestern seinen eigenen Weltrekord (50,10 Sekunden), während Franziska van Almsick, die sich ganz untypisch einmal nicht vor einer Kamera, sondern im Chlorwasser bewegte, maulte, es sei total demotivierend gewesen, zwei Meter hinter der Siegerin Martina Moravcova herschwimmen zu müssen. „Aber das hat keine Auswirkung, ich bin ja aus vollem Training an den Start gegangen“, wiegelte sie ab. Gestern schied die Berlinerin über 100 Meter Freistil bereits im Vorlauf aus.

An der Spitze des DSV steht seit einem guten Jahr die frühere Sporttänzerin Christa Thiel. Dieser Weltcup sei die erfolgreiche Feuertaufe für die EM gewesen, meinte die Juristin. Das Budget scheint auch gesichert. Der DSV einigte sich mit der Berliner Agentur SMS auf einen neuen Vertrag. Der bringt 75.000 Euro mehr ein als der alte „Murksvertrag“. Dann muss sommers eigentlich nur noch die Leistung der DSV-Athleten stimmen. „Wir müssen nur das wahre Leistungspotenzial jedes Aktiven punktgenau entfachen“, sagte Cheftrainer Beckmann. Bevor es in einem halben Jahr ernst wird, genossen die Schwimmer Berlins große Gewinnausschüttung. Lagenschwimmer Jens Kruppa meint: „Man kommt hier gut herum und kassiert eventuell noch ein paar Siegprämien.“ Unter diesen Bedingungen liebt der Schwimmer seine Kurzbahn.

MARKUS VÖLKER

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