In Andorra ist Abtreibung verboten: Pro-Choice-Aktivistin vor Gericht
Das Fürstentum geht hart gegen eine Feministin vor, die sich für das Recht auf Abtreibung einsetzt. In Andorra gibt es nicht mal die Pille danach.
Der Grund: 2019 legte sie dem CEDAW-Ausschuss der Vereinten Nationen – die Institution, die darüber wacht, dass Frauen nicht diskriminiert werden – einen Bericht zum Thema Abtreibung in ihrer Heimat vor.
Im Fürstentum Andorra ist Abtreibung streng verboten. Wer es dennoch tut, der droht eine Haftstrafe. Neben Malta ist es das einzige Land in Europa, in dem selbst bei schwerer Missbildung des Fötus oder bei Schwangerschaft nach Vergewaltigung ein Abbruch untersagt ist. Das gilt selbst für minderjährige Vergewaltigungsopfer.
Stop Violències, die einzige Organisation in Andorra, die sich des Themas der unterschiedlichen Formen sexueller Gewalt gegen Frauen annimmt, setzt sich seit 2016 für das Recht auf Schwangerschaftsabbruch ein.
„Andorra ist eine frauenfeindliche Theokratie“
Mehrere Monate nach ihrem Besuch beim UN-Ausschuss beantragte die Staatsanwaltschaft die Eröffnung eines Ermittlungsverfahrens gegen Mendoza Cortés wegen dreier Vergehen, „öffentlicher Verleumdung“, „Verleumdung der Fürsten“ und einem „Verbrechen gegen das Ansehen der Institutionen“. Im Jahr 2021 zog die Staatsanwaltschaft die ersten beiden Punkte zurück. Doch der dritte Anklagepunkt blieb bestehen. Am Montag beginnt das Verfahren.
„Andorra ist eine frauenfeindliche Theokratie“, beschwert sich Mendoza Cortés. Einer der beiden Staatschefs des kleinen Landes ist – so das kuriose politische System Andorras – der Bischof im spanischen La Seu d’Urgell, der andere ist immer der Präsident der Französischen Republik, also derzeit Emmanuel Macron.
Die Andorranerinnen reisen, um einer ungewollten Schwangerschaft ein Ende zu setzen, meist nach Frankreich oder Spanien. Die Intervention kostet in Privatkliniken bis zu 8.000 Euro.
Selbst die Pille danach gibt es in Andorra offiziell nicht. Apotheken in den Nachbarländern und Händler auf dem Schwarzmarkt in Andorra selbst nutzen dies und verkaufen sie unter der Hand – so Stop Violències – zu einem Preis von bis zu 300 Euro.
Abschreckende Wirkung auf Menschenrechtsverteidiger
Der Fall von Cortés sorgt für internationales Aufsehen. Das Strafverfahren gegen die Frauenrechtsverteidigerin untergrabe die Meinungsfreiheit und habe eine abschreckende Wirkung auf die Arbeit von Menschenrechtsverteidigern, sagte etwa die Menschenrechtskommissarin des Europarates, Dunja Mijatović.
Mendoza Cortés will trotz des Verfahrens weitermachen: Das Recht auf Schwangerschaftsabbruch ist für sie „Gesundheit und muss für alle Frauen erschwinglich sein. Alle Frauen müssen das Recht genießen, abtreiben zu können.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
BSW in Koalitionen
Bald an der Macht – aber mit Risiko
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Dieter Bohlen als CDU-Berater
Cheri, Cheri Friedrich
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Selbstzerstörung der FDP
Die Luft wird jetzt auch für Lindner dünn
Stellenabbau bei Thyssenkrupp
Kommen jetzt die stahlharten Zeiten?