■ Museumsinsel wird aufgebaut: Imponiergehabe
Kunstmuseen sollten zum genauen Sehen erziehen. Dann würden in der Präsentation der Sammlungen gleichermaßen wie in ihren Gebäuden hinter dem blendenden Glanz der Schätze der Gang der Geschichte mit Verdienst und Schuld bis zum gegenwärtigen Augenblick offenkundig. Nirgendwo läßt sich so exakt wie an der Berliner Museumsinsel außer einer bewegenden Vergangenheit der jetzige Zustand der Staatlichen Museen der Berliner Kulturpolitik und der Denkmalpflege mit ihren Widersprüchen ablesen. Denn der Kultursenator kann aufgrund seiner politischen Herkunft eigentlich nicht damit einverstanden sein, was der Generaldirektor in einer offiziösen Broschüre „Kultur in Berlin“ 1993 als Sinn der Museen propagierte: „Der Besitz und das Vorzeigen von Kunst dienten schon immer als Ausdruck von Selbstverständnis, Legitimation und Anspruch. Das gilt für Fürsten, Staaten und Bürger in gleicher Weise. Der Blick nach Paris ist da lehrreich. Die mit Milliardenaufwand errichteten Kulturbauten dienen der Stärkung der Kulturmetropole Paris; sie sind zugleich Ausdruck staatlichen Selbstverständnisses und politischen Anspruchs, den man mit militärischen Mitteln nicht mehr demonstrieren kann und will. Das ist der Maßstab, an dem sich Berlin als Hauptstadt der Bundesrepublik Deutschland zu orientieren hat.“ Also Kunstschätze als Ersatz für eine Militärparade, Indienstnahme von Werken, die nur zu einem relativ geringen Teil in diesem Land hervorgebracht worden sind, für ein nationales wilhelminisches Imponiergehabe, statt Verstehen von Kunst ihr Besitz und das Vorzeigen.
Das darf nicht das Konzept der Staatlichen Museen für eine schwierige Zukunft sein, die ein neues Denken fordert. Ein Make-up modischer Architekturzutaten zur Museumsinsel kann das gefährlich Abgestandene einer solchen Auffassung nicht parfümieren. Sind die Staatlichen Museen so marginal, daß man die Warnrufe der von den hiesigen Macht- und Ohnmachtsstrukturen unabhängigen Fachwelt überhören darf? Gehören die Staatlichen Museen einigen Spitzenbeamten? Helmut Börsch-Supan/Kunsthistoriker an der FU
Siehe auch Bericht auf Seite 3
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