piwik no script img

Immer weiter durchbrechen

■ Sägen ist geil: Das Kölner Diskurs-Techno-Label Kompakt hat neue Freunde in Hamburg. Im Phonodrome spielen sie zusammen

Köln, schrieb der Techno-DJ, Musikjournalist und Produzent Tobias Thomas (Forever Sweet) im Dezember letzten Jahres in der taz hamburg als er den Auftritt seines Freundes und Labelkollegen Triple R ankündigte, sei die „Stadt der Ansprüche, Kultur der Widersprüche“. Und die hält man zur Not wohl eben einfach aus.

Denn von allen Aktivisten der hochgradig vernetzten und kommunikationsfreundlichen Domstadt-Subkultur trifft der Vorwurf der Vetternwirtschaft ganz besonders häufig das Kölner Aushängeschild für elektronische Tanzmusik Kompakt. Als Plattenladen, Mailorder, Vertrieb und Label in einem bündelt Kompakt die Kreativität, Erfahrung und den Willen zum Machen von Leuten wie Wolfgang Voigt, Reinhard Voigt, Michael Mayer – und eben Tobias Thomas und Triple R..

Als Mitte der 90er die Euphorie der Gründerjahre von Techno unwiderbringlich verloren schien, fand sich das Umfeld, aus dem Kompakt hervorgehen sollte, in einem inhaltlichen Vakuum wieder. In der Folge stellte vor allem Wolfgang Voigt jegliche Verbindlichkeit von Techno in Frage, trug Schicht um Schicht ab, bis letztlich nicht einmal die 4/4-Bassdrum übrig blieb. Das Ergebnis war „Minimal“-, später auch „Diskurs-Techno“ genannt. Dass man nun aber mehr über Techno redete und schrieb als dazu tanzte, lag nicht im Sinne der Erfinder. Folglich feierte die unmittelbare Sequenz, das Rave-Signal eine Renaissance. „Sägen ist geil – Stumpf ist Trumpf“ (so Wolfgang Voigt in Groove)

Längst ist Kompakt aber nicht mehr nur Köln. Das verdeutlichen nicht zuletzt gerade in jüngster Vergangenheit in Richtung Hamburg ausgestreckte Fühler. Mit Tobin, Parfüm, Festplatten und Dial finden sich gleich vier junge Projekte/Labels in der Hansestadt, die sich nicht nur untereinander rege austauschen, sondern in Kompakt auch ihren Exklusivvertrieb gefunden haben. Am Montag erscheint auf Dial nun Sporturlaub von Lawrence (früher auch als Spicy Pete bekannt). Eine im weitesten Sinne House-EP, die die Musik von Moodyman aus Detroit genauso atmet, wie den experimentellen, minimalen Ansatz von Kompakt. Zusammen mit Forever Sweet-Mitglied Michael Mayer werden zwei der drei Dial-Betreiber, C. Jost und eben Lawrence, den Sporturlaub zum Anlass nehmen, Hamburg den vielbeschworenen „Sound Of Cologne“ zu vermitteln. Egal, wie viele Widersprüche sich dabei auftun. Denn wie es im letzten großen Hit „W.I.R.“ von Wolfgang Voigt unter seinem Wassermann-Pseudonym heißt: „Wir machen weiter!“

Nicolas Höppner

Sonnabend, Phonodrome, 23 Uhr

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen