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SchnittplatzImmer öfter

■ Zur Ausstrahlung des Films „Beruf Neonazi“ als „Spiegel TV Special“ am kommenden Samstag, 22.15 Uhr bei Vox

Bonengels „Beruf Neonazi“ – der Streit um diesen Film ist einer von der Sorte, bei der man immer dem recht zu geben geneigt ist, der gerade das Maul hält. Sicher ist es echt sozialdemokratische Landesregierung, die Fördergelder für den Dokumentarfilm über den Nazi Althans zurückzufordern, statt gegen den Nazi Althans, der sich in diesem Film mehrfach strafbar macht, Anzeige zu erstatten. (Auf diese Idee, sehr naheliegend für alle, die die einschlägigen Gesetze kennen, ist wieder mal nur Ignatz Bubis gekommen.) Sicher ist es eigenartig, daß Leute wie Wiglaf Droste oder Dietrich Kuhlbrodt, denen man bisher kein übertriebenes Vertrauen in den Antifaschismus der Landsleute anmerkte, plötzlich die Deutschen vor Bevormundung schützen wollen und öffentliche Vorführung fordern. Sicher ist es bekloppt, daß auch solche Vorführungen des Films ohne weitere Begründung verhindert werden, deren Veranstalter ausdrücklich bekennen, sie hielten ihn für Nazi-Werbung und wollten mit den Zuschauern darüber diskutieren, warum der Streifen so mißglückte.

Und ganz sicher ist es widerlich, daß der Spiegel die öffentliche Diskussion um „Beruf Neonazi“ mit einem scharfen Verriß anstößt und „Spiegel TV“ wenige Wochen später den Rahm abschöpft und den „braunen Werbefilm“ (Spiegel) aus dem Off der Programmkinos ins Fernsehen bringt – womit die unkontrollierte Verbreitung auf Videocassetten ermöglicht wird.

Bestimmt macht „Beruf Neonazi“ aus Nichtnazis keine Nazis; ich weiß nicht, ob es einen Film gibt, der das schafft. Bestünde das deutsche Publikum aus Nichtnazis, niemand hätte ein Problem mit dem Film (unter anderem deshalb, weil niemand auf die Idee käme, ihn zu drehen). Aber das deutsche Publikum besteht nicht aus Nichtnazis, sondern aus Nazis, die sich nicht immer und nicht überall trauen, wie Nazis zu reden und zu handeln: aus Nochnicht-Nazis.

Diesen Nochnicht-Nazis signalisiert die Tatsache, daß „Beruf Neonazi“ im Fernsehen läuft: Niemand schreitet ein, wenn man sagt, was Althans sagt (im Film widerspricht bloß ein langhaariger Yankeejude, und mit denen wird man schon fertig, hehehe). Sie werden sich in Zukunft auch öfter mal trauen. Das macht den Film gefährlich. Boris Gröndahl

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