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(Immer-)Noch ist St. Pauli nicht verloren

■ Fußball im Hamburger Schmuddelviertel: Ein Resümee der bisherigen Saisonleistungen des FC St. Pauli / Nur Fans Spitze

„Noch“, sprach Heidi Weisener in Juli dieses Jahres nach der ersten Niederlage des FC St. Pauli, „noch ist St. Pauli nicht verloren.“ Damals allerdings ging es für den von ihrem Gatten präsidierten und gesponsorten Verein noch um einen Platz an der Tabellenspitze der Zweiten Liga. Einen Platz an der Sonne sozusagen.

Das Saisonziel war für den Kiezclub zwar deutlich niedrigergeschraubt als in der vohergehenden Saison, als der direkte Wiederaufstieg in die Bundesliga, aufgrund eines unglaublich hohen Etats nur als Formsache angesehen wurde. Doch insgeheim, unter vorgehaltener Hand, kokettierte so manch ein Verantwortlicher mit dem 3. Tabellenplatz. Dem Platz also, der gerade noch für den Aufstieg in die Bundesdeutsche Eliteliga ausreicht. Auch Michael Lorkowski, zu Saisonbeginn Trainer am Millerntor, hätte gerne seine Equipe auf einen solchen Platz gesehen. Im September, am 23. genau, endete seine Tätigkeit beim FC St. Pauli. Sein Fehler: Mangelnder Kontakt zur Mannschaft und der Versuch seine Spieler über die Boulevardpresse zu disziplinieren. Ein Spieleraufstand folgte. Der ungeschickt agierende Lorkowski wurde durch Seppo Eichkorn ersetzt. Somit betreut nunmehr der dritte Trainer innerhalb eines Kalenderjahres den Stadtteilclub. Eichkorn, bisher Amateurtrainer gelang es nicht, sportlich erfolgreicher zu agieren. Der FC St. Pauli beendet das Jahr 1992 als Tabellenneunzehnter, also auf einem Platz der den direkten Abstieg in die Niederungen des Amateurfußballs bedeutet.

Wohlwissend, daß bei diesem sportlichen Resultat auch sein Geld

1futsch wäre, daß er so reichlich in den Verein gesteckt hat, reagierte Präsident-Heinz Weisener. Er verpflichtete mit den Finnen Ari Hjelm und Petri Järvinnen zwei fertige Spieler, die die sankt-paulianische Sturm-Misere beenden sollten. Aus dem 25-köpfigen Kader des Vereins

1war keine Rettung in Sicht. Es wurde experimentiert, fast jeder Spieler kam zum Einsatz, doch eine feste Formation zeichnete sich erst spät ab. Hinzu kamen noch Probleme mit den Leistungen des Stammtorhüters Klaus Thomforde. Auf der Torlinie ein Garant an Zu-

1verlässigkeit, mutiert er, sobald er sein Gehäuse verläßt, oder durch die neue Rückpassregel gezwungen wird, einen Ball mit dem Fuß weiterzuspielen, zu einem Unsicherheitsfaktor.

Der Anhang indes ist frustriert. Es zieht ihn verstärkt zu den Spie-

1len der Verbandsligamannschaft des Vereins, aber trotzdem, sei es Gewohnheit, sei es Masochismus, der FC St. Pauli hat immer noch den höchsten Zuschauerschnitt der Zweiten Liga. Und sollte sich daran nichts ändern, solange ist der FC in der Tat noch nicht verloren. kader

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