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Im Zweifel gegen den „Positiven“

■ Staatsanwalt fordert Freiheitsstrafe für ungeschützten Geschlechtsverkehr - HIV–Positiver soll „letale Spätfolgen“ bei seinen Intimpartnern in Kauf genommen haben / Verteidigung fordert Freispruch

Aus Nürnberg Wolfgang Gast

In dem Verfahren gegen den 46jährigen Amerikaner Linwood B. hat der Staatsanwalt eine Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten gefordert. Dem ehemaligen Koch der US–Armee wird vorgeworfen, in Kenntnis seiner HIV–Infektion ungeschützt mit seinen Partnern verkehrt zu haben. Dabei soll er seine Krankheit verheimlicht und eine Infektion billigend in Kauf genommen haben. Nach acht Verhandlungstagen vor der 13. Großen Strafkammer am Nürnberger Landgericht zog Oberstaatsanwalt Jörg Schwalm in seiner einstündigen Ausführung das Resümee, der Angeklagte habe „letale Spätfolgen“ bei seinen Geschlechtspartnern in Kauf genommen, obwohl er über das Ansteckungsrisiko von seinem Arzt eingehend belehrt worden war. Da Linwood B. die „von ihm bewußt heraufbeschworene Gefahr“ gekannt habe, müsse in den vier Fällen seit seiner Diagnose im Juni 1986, als er in verschiedenen Clubs ungeschützt sexuell verkehrt haben soll, von einem bedingten Vorsatz ausgegan gen werden. Ein „Tötungsvorsatz“ käme allerdings „aufgrund eines fehlenden allgemeinen Kenntnisstandes“ über den tödlichen Ausgang der Immunschwäche nicht in Frage. Schwalm schob sogleich die Frage nach, „ob das aber auch für einen Täter im Jahr 1987 gesprochen werden kann“. In dem Verfahren, in dem darüber entschieden werden soll, ob ein ungeschützter Geschlechtsverkehrs in Kenntnis der eigenen HIV–Infektion den Tatbestand einer versuchten gefährlichen Kör perverletzung erfüllt, berief sich der Leitende Staatsanwalt auf das Grundrecht der körperlichen Unversehrtheit, nach dem es „primär nicht Sache des Gesunden sein könne, sich zu schützen“. Vielmehr sei es Aufgabe der Infizierten, eine Weiterverbreitung des Virus zu verhindern. Den Vorwurf des ungeschützten Geschlechtsverkehrs stützt die Anklage vor allem auf die Aussage des behandelnden Arztes, der vor Gericht angab, Linwood B. Monate nach dem AIDS–Test wegen der Geschlechtskrankheit Tripper behandelt zu haben. Rechtsanwalt Becker betonte dagegen, die Beweisaufnahme habe gezeigt, daß sich sein Mandant, der seit Februar in Untersuchungshaft einsitzt, im Bewußtsein seiner Krankheit an die Regeln des „Safer Sex“ gehalten und so verantwortlich gehandelt habe. In ihrem Plädoyer forderte die Verteidigung Freispruch in allen Punkten und Aufhebung des Haftbefehls. Das Urteil wird am 16.11. gesprochen.

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