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Im Westen von Berlin soll der Polo-Sport etabliert werdenEin bisschen Oberschicht für alle

Ingeborg Schwenger-Holst, die Chefin des "Berliner Polo Clubs von 1906", will die Sportart populär machen und ihr die elitäre Aura nehmen. Aber wie? Und mit welchen Sportlern?

Auch hier wird improvisiert - mit Erfolg: Poloreiter vor Zuschauerkulisse in Kaschmir. Bild: Reuters

Schlaff, lang ausgestreckt und offenbar furchtbar müde liegt der bräunliche Mischlingshund auf dem Betonboden. Wäre es heißer, die Szene würde an ein mexikanisches Kaff in der Mittagshitze erinnern, wie es Uderzo in Lucky-Luke-Heften gezeichnet hat. Frauchen steht am Flipchart und sagt Seltsames wie: "Wir machen heute kein Haudrauf-Chukka", "Dann darf er plötzlich wieder tippen" und "Da haben wir wieder einen ganz normalen Sixty". Das versteht kein Schwein, geschweige denn ein Hund, und nur sehr wenige Menschen in Deutschland. Immerhin rutscht Frauchen ab und zu in eine, sagen wir: sehr deutliche Sprache ab und sagt "Scheiße" oder "Der verkackt eh". Dann ahnt man, was gemeint ist.

Insiderisch und ländlich geht es zu im provisorischen Clubraum des Berliner Polo Clubs von 1906, der in einem Stall des Schlossgutes Schönwalde westlich der Hauptstadt seine Bleibe gefunden hat. Auf ein paar Sesseln, die stark nach Ikea aussehen, lauschen sechs Männer und Frauen der Dame mit der teils unverständlichen, teils derben Sprache. Es ist Ingeborg Schwenger-Holst, die Vorstandsvorsitzende des Clubs. Sie hat große Pläne: Aus der großen Anlage mit einem stark renovierungsbedürftigen Schloss und alten LPG-Ställen will die Clubchefin ein "Reit- und Tourismuszentrum mit Poloanlage" machen. Das tut auch ein Schild an der Einfahrt zum Schloss am Dorfrand kund. Und die Ärztin, Heilpraktikerin und Unternehmerin hat noch eine andere Vision: Sie will den elitär angehauchten Polosport in Deutschland populär machen, ihn öffnen gerade für junge Menschen, die nicht viel Geld haben.

Das wird schwierig, wie man schnell versteht, wenn man den Polofreunden nach der Lehrstunde zu den Pferdeboxen folgt. Denn Polo ist per se teuer. Es erfordert den Besitz von mindestens einem, besser noch zwei oder drei Pferden. Die Reiterinnen und Reiter zwängen sich in ihre Stiefel, schnallen ihren Helm fest und kontrollieren noch mal die Sättel ihrer Pferde, auf denen sie dann über eine kleine Brücke auf ein etwa 270 mal 180 Meter großes Feld reiten. Von fern ist das Rauschen einer Autobahn zu hören. Nichts sieht hier nach besonders viel Geld aus, selbst die Tore werden nur durch vier Baustellenhütchen aus Plastik markiert.

Dann geht es los, ein Trainingsspiel ist angesagt. Acht Männer und Frauen jagen auf ihren Pferden mit langen Schlägern einem 130 Gramm schweren Ball hinterher. Ab und zu ist ein Klacken zu hören, wenn es jemandem gelingt, den Ball voll zu treffen. Das Ganze sieht nicht besonders elegant aus - nur an dem argentinischen Trainer, dessen Helm als einziger keinen Gesichtsmetallschutz hat, lässt sich die Schönheit dieses Sports erahnen. "Go! Go!", treibt der untersetzte Mann sein Team an. Wie der Wind schwebt er mit seinem Pferd über die gemähte Wiese, schwingt den Poloschläger mit voller Wucht und schießt den Ball mit einem lauten Klack über das halbe Feld. Anmut, Stärke und auch Mut sind hier zu bewundern, Pferd und Reiter bilden eine dynamische Einheit. Polo ist in Argentinien Volkssport.

Schon nach einer knappen Viertelstunde ist der erste Chukka beendet. Wer gewonnen hat, ist nicht zu erkennen, und es spielt bei diesem Training auch keine Rolle. Die Polofreunde sind mächtig außer Atem, noch heftiger aber schwitzen die Pferde. Das schnelle Wenden, das abrupte Stoppen, vor allem aber die dauernden Wechsel aus dem Schritt in den Galopp und wieder zurück machen diesen Sport für die Tiere äußerst anstrengend. Deshalb brauchte man eigentlich für jedes der etwa siebenminütigen Viertel eines Spiels - die Zeit wird bei Unterbrechungen immer gestoppt - ein anderes Pferd. Zwei Pferde sind mindestens vonnöten.

Manche Spieler haben tatsächlich für jeden Chukka ein Pferd und ein fünftes als Ersatz. Ein Polopferd kostet meist zwischen 7.000 und 12.000 Euro. Generell wird hier am Rande Berlins, wie in der Hauptstadt üblich, mit Reichtum aber nicht so geprotzt: Vor der Tür stehen ein paar BMW und Jeeps, aber das sieht eher nach gehobener Mittelklasse aus.

Von Gentlemen erfunden

Polo wurde einst von englischen Gentlemen und Kavallerieoffizieren in der indischen Kolonie in Adaption ähnlicher Reiterspiele erfunden: Sie hatten neben dem Reitvermögen, der Härte und dem Sportsgeist auch die Pferde, den Raum und das Personal, um sich solch ein Freizeitvergnügen zu gönnen. Aber ist Polo wirklich ein Sport für das 21. Jahrhundert? Und für das arme Berlin?

Ein paar Tage später fährt Schwenger-Holst mit ihrem Mercedes-Cabrio in die Garage ihres Hauses in Zehlendorf. Und wenn das Wort nicht so abgedroschen wäre, müsste man sie wohl als Powerfrau beschreiben, die sich traut, immer wieder von vorn anzufangen: Nach ihrem Studium der Medizin gründete sie vor 17 Jahren gegen den Widerstand von Teilen der Ärzteschaft die bundesweit erste Privatklinik für Minimal-invasive Chirurgie, beendete dann aber ein paar Jahre später ihre Arbeit in der Schulmedizin und praktizierte nur noch als Homöopathin.

Vor einem Jahr gründete sie dann ein Unternehmen und machte ihre Pferdeliebe zu ihrem Beruf: Schwenger-Holst produziert für den Pferdestall Einstreu, das einen biologischen Katalysator gegen Faulgas enthält - eine Erfindung, so schwärmt sie auf der Terrasse ihrer Villa, die die durch Ammoniakgase entstehenden Schäden für Pferd und das Klima stark verringere.

So weit das Geschäft. Ihre Leidenschaft aber ist der Polosport. Schwenger-Holst kämpft tapfer dafür, die Kritik am Polo als Sport für Reiche zu zerstreuen. Die Homepage ihres Vereins nimmt, ganz in ihrem Duktus, sogleich die (Vor-)Urteile gegen den Polosport auf: "Polo spielen nur Argentinier oder Millionäre oder Angeber. Das ist Unsinn! Klar: Polo wird nie ein Breitensport", heißt es dort. "Aber: Deutschland ist das - gemessen am Durchschnittseinkommen - wohl preiswerteste Pololand der Welt." Und schließlich sei im Preis "ein Freund (das Pferd) inklusive".

Sponsoren gesucht

Das ist alles sehr wohlwollend gesagt, denn der Beitrag für ein aktives Vereinsmitglied im Erwachsenenalter beträgt satte 650 Euro pro Jahr, allein der Aufnahmebeitrag 1.500 Euro. Wenn man anfänglich, so heißt es auf der Homepage, im Jahr vielleicht 10 Chukka spiele, zweimal im Monat ausreite und noch ab und zu eine Trainerstunde nehme, mache das pro Monat weniger als 300 Euro. Richtig teuer wird der Spaß, wenn man tatsächlich mal auf Turniere fahren sollte - ohne Sponsoren geht da, gerade für junge Leute, gar nichts.

Das leugnet Schwenger-Holst, mit ihrer Prada-Brille auf der Terrasse in Zehlendorf sitzend, nicht. Aber sie orientiert sich an dem schönen Spruch von David Morely, dem Trainer der britischen Polonationalteams: "More new blood - less blue blood." Schwenger-Holst hat in ihrer Pololeidenschaft etwas durchaus Missionarisches, aber zugleich so viel Charme, dass es nicht weiter stört. Mit dem Eifer einer so strengen wie warmherzigen Grundschullehrerin hat sie ein Pololehrbuch geschrieben. Es ist das erste auf Deutsch seit mehr als 100 Jahren, wie sie nicht ohne Stolz sagt.

"Polo ist aufwendiger als Tischtennis", sagt Schwenger-Holst mit leichter Ironie, aber lange nicht so wie der Formel-1-Sport. Klar, es gebe Leute, die dafür "100.000 Euro im Monat raushauen". Aber in ihrem Club gebe es auch ein junges Talent aus eher bescheidenen Verhältnissen: die Mutter Sekretärin, der Vater Getränkefachhändler. Pferde könne man sich teilen.

Noch ist Deutschland auf der Weltkarte des Polo ein Entwicklungsland: Während in Argentinien, ähnlich wie im Golfsport, viele Profis das maximale Handicap von +10 haben, glänzen die besten deutschen Reiter gerade mal mit einem Handicap von +4 oder +5 - und die meisten aktiven Polofreunde hierzulande krebsen sogar nur mit dem niedrigsten Handicap von -2 herum, wenn sie es überhaupt so weit gebracht haben.

Bundesweit gibt es nur etwa 300 Spielerinnen und Spieler. Aber in den letzten zwei Jahren, so Schwenger-Holst, sei ihre Zahl um knapp ein Drittel gestiegen. "Es geht richtig los!", sagt die Clubpräsidentin. Und - wer weiß? - vielleicht wird Deutschland ja tatsächlich noch eine richtige Polonation. Tradition hätte der Sport hierzulande jedenfalls, gerade in Berlin. Schließlich war es die Hauptstadt, wo Polo das letzte Mal als olympische Disziplin zu sehen war: 1936 bei den unseligen Olympischen Spielen der Nazis. Damals gewannen deutsche Athleten in allen Sportarten Medaillen. Mit drei Ausnahmen: Weder im Basketball kamen sie aufs Treppchen noch im Polo - und auch nicht im Fußball. Insofern darf man auch beim Polo mit etwas Geduld guten Mutes sein.

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3 Kommentare

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  • F
    Frank

    Wenn jemand Hochleistungssport machen möchte, dann soll er das doch bitte selbst tun und nicht unbeteiligte Tiere mit da rein ziehen. Bewusstsein für das Leid der Pferde beim Polo Sport zu wecken ist doch nur deswegen so problematisch, weil wie überall nur der Profit zählt und dafür wird alles geopfert, sogar die eigene Menschlichkeit. Ich habe Polo lange genug gesehen, es ist kein Sport es ist pure Tier Ausbeutung! Herzliche Grüße Frank

  • O
    Oliver

    Hallo, das Polo ein nicht gerade Tierfreundlicher Sport ist, war mir bekannt. Das die Pferde aber so leiden müssen nicht. Ich habe gestern im Internet ( auch bei YouTube) wirklich böse Bilder gesehen! Warum sollte man diesen Sport populär machen ? Das Hin- und Herreißen der Polo Pferde bedeutet sehr hohe Belastungen der Sehnen, Bänder und Gelenke.

     

    Das direkte Aufeinanderzureiten der Pferde ist ein völlig atypisches Verhalten! Pferde sind Fluchttiere und laufen im Gruppenverband nur in eine Richtung. Andere Verhaltensweisen können nur durch erhebliche Zwangsmaßnahmen erreicht werden.

     

    Warum will man solchen Sport populär machen ?

     

    Ich bin ein klassicher taz.de Leser und ich finde ihr solltet auch diese Seite zeigen. Es ist nicht fair, dass immer nur die Leute über Polo sprechen die in erster Linie viel Geld damit verdienen.

     

    Einfach nur traurig und die wenigen Reiter die wirklich Pferdeschonend Sport betreiben verschwinden in der Masse - es muss immer höher, weiter, schneller sein und es geht um viel Geld

     

    Oliver

  • T
    Tatzelbrumm

    Maurice de Bevere würde sich im Grab umdrehen, wenn er diesen Artikel liese ...