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Im Westen geheuert, im Osten gefeuert

■ Arbeitslosigkeit in der ehemaligen DDR steigt stetig/ Jetzt 444.000 Betroffene/ Mehr als 1,7 Millionen Kurzarbeiter im Osten/ Im Westen sinkt die Zahl der Arbeitslosen weiter leicht

Nürberg/Berlin (taz) — In Deutschland gab es Ende September über 2,17 Millionen registrierte Arbeitslose. Dabei entwickelten sich die Arbeitsmärkte im Westen und in der ehemaligen DDR stark gegensätzlich: Während sich die Arbeitslosigkeit im Westen um 85.052 auf 1.727.760 verringerte, stieg sie in der ehemaligen DDR um 83.500 auf 444.800. Die Arbeitslosenquote verringerte sich im Westen von 6,9 auf 6,6 Prozent, im Osten stieg sie von 4,1 Prozent im August auf 5,0 Prozent im September. Die Frauenarbeitslosigkeit liegt mit 55 Prozent in der ehemaligen DDR inzwischen deutlich höher als im bisherigen Bundesgebiet (50 Prozent).

Extreme Unterschiede gibt es weiterhin bei den Kurzarbeiterzahlen. Rund 270.000 Beschäftigte in der ehemaligen DDR verloren im September einen Teil ihrer Arbeit, ohne allerdings entlassen zu werden. Insgesamt gibt es dort jetzt 1,77 Millionen Kurzarbeiter, während im Westen „nur“ rund 32.000 Beschäftigte kurzarbeiten. Die Chance, vom Arbeitsamt in ein neues Beschäftigungsverhältnis vermittelt zu werden, ist im Westen gering, im Osten praktisch nicht existent. Im Westen registrierte die Bundesanstalt 320.000 offene Stellen, in der ehemaligen DDR nur 24.441.

Die Arbeitslosenzahl im Westen hat erstmals seit 1981 die 1,8-Millionen-Grenze unterschritten. Für das Gebiet der ehemaligen DDR dagegen spitzt sich die Arbeitsmarktlage nach wie vor zu, wenn sich auch der Anstieg der in den letzten Monaten explosionsartig in die Höhe schnellenden Arbeitslosen- und Kurzarbeiterzahlen deutlich verlangsamt hat. Die Bundesanstalt für Arbeit, die gestern erstmals für beide Teile Deutschlands die neuen Daten veröffentlichte, will wegen der deutlich auseinanderlaufenden Entwicklungstendenzen bis auf weiteres getrennte Berichte für Ost und West ausweisen. Dies sei zum Teil auch wegen der noch nicht vollständig erreichten Vergleichbarkeit der Erhebungskriterien notwendig.

Der Präsident der Bundesanstalt für Arbeit, Franke, warnte gestern davor, die gesamte Kurzarbeit in der ehemaligen DDR mit Arbeitslosigkeit gleichzusetzen. Nach den Erhebungen der Arbeitsämter habe der Arbeitsausfall im Durchsnitt zwischen 42 und 43 Prozent gelegen. Nur bei rund 32 Prozent aller Kurzarbeiter sei ein Arbeitsausfall von 50 bis 100 Prozent gemeldet worden.

Franke mochte keine Prognose darüber abgeben, wieviele von den Kurzarbeitern später arbeitslos werden. In einem Interview hatte er eine Unterbeschäftigung von rund 1,5 Millionen Menschen für das Gebiet der ehemaligen DDR genannt. Diese Zahl sei aber nicht gleichzusetzen mit der erwarteten Zahl von Arbeitslosen. Die Unterbeschäftigung könne zum Teil durch Kurzarbeit, durch berufliche Qualifizierung und in zunehmenden Maße auch durch Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen aufgefangen werden.

Die Talsohle für die Arbeitslosigkeit in der DDR wird, so der Sprecher der Bundesanstalt für Arbeit, Eberhard Mann zur taz, für Mitte nächsten Jahres erwartet. In den Wintermonaten wird, verstärkt durch saisonale Einflüsse, mit einem weiterhin deutlichen Anstieg gerechnet, vor allem in der an sich zukunftsträchtigen Baubranche, aber auch in der Landwirtschaft, die schon heute zum großen Teil auf Kurzarbeit gesetzt ist. Die Schwerpunkte der Kurzarbeit konzentrieren sich derzeit auf die Elektrotechnik und den Maschinenbau, auf die Baubranche, sowie auf die Bereiche Chemie und Kunststoff, Bergbau und Landwirtschaft. Die letzten drei gehören zu den offensichtlichen Krisenbranchen mit geringen Überlebenschancen für die Betriebe, während den Bau- und Metallbereichen günstigere Prognosen gestellt werden. Während die Krisenentwicklung in der Wirtschaft voll eingesetzt hat, wird für den öffentlichen Dienst in der DDR in den nächsten Monaten mit einer gewaltigen Entlassungslawine gerechnet, die die Arbeitslosenzahlen noch einmal hochtreibt.

Daß die Arbeitslosenzahlen in der Ex-DDR bislang immer noch unter denen des „goldenen Westens“ liegen, dürfte vor allem darauf beruhen, daß eine kaum bezifferbare Zahl von Menschen in den letzten Monaten ihren DDR-Arbeitsplatz verlassen haben, ohne in die Arbeitslosenstatistik einzugehen. Rund 130.000 Menschen haben bislang die bestehenden Vorruhestandsregelungen genutzt. Die Pendlerströme in den Westen werden inzwischen auf über 100.000 geschätzt, wobei die Übersiedler nicht eingerechnet sind. marke

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