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Im Untergrund der Witze

■ Der alternde Komödiant Jerry Lewis und Lee Evans in Funny Bones von Peter Chelsom

Können Sie mir ihren Witz verkaufen? Gibt es ein Copyright auf Komik, oder verhält sich das mit den Witzen nicht eher wie mit Volksliedern oder Märchen, deren Herkunft sich verschleiert hat? In Funny Bones geht es um den Ankauf von Gags. Der erfolglose und pummelige Las Vegas-Komiker Tommy Fawkes (Oliver Platt) reist in das nordenglische Blackpool, dem Rummelplatz der Stand-Up-Comedian, um sich gegen Dollars kontinentale Gags vorführen zu lassen. Dort gerät er in die ebenso pittoreske wie kauzige Welt des Seebades, in der fast jeder einen sympathischen Hau weg hat: in Blackpool haust man unter Achterbahnen, tanzt im Leichenschauhaus und läßt die Säge singen.

Als sich unter all den Possenreißern und Hampelmännern der Clown Jack Parker als sein Halbbruder entpuppt, wird Funny Bones zum Familiendrama. Das famose Comedy-Talent Lee Evans, der seinen Körper bei Sketchen zu entgrenzen scheint, spielt jenen mit einem Geheimnis behafteten Bruder im Underground der Witze. Der Vater eilt herbei, um zu retten, was kaum mehr zu retten ist. Jerry Lewis, im Alter immer selbstreflexiver und schonungsloser, stiefelt mit dem aufgebrachten Sohn auf Entdeckungsfahrt im Fotoalbum seiner Kindheit über den Strand. Dort legt er ihm die zwei Arten von Komikern auseinander. Manche haben es in den Knochen und andere eben nicht, könnte man seine Einsicht reduzieren. Auf einer anderen Ebene macht Jerry Lewis darauf aufmerksam, daß Komik der angelsächsischen Schule etwas mit körperlichen Grenzerfahrungen zu tun hat, mit neuen Maßeinheiten für den eigenen Körper. Als er aber am Strand gesteht, seine erfolgreiche Karriere auf geklauten Lachern aufgebaut zu haben, wird Funny Bones zum Entwicklungsroman. Trotz aller offensichtlichen Ähnlichkeiten beim Witzdiebstahl löst sich der Sohnemann allmählich vom übermächtig erfolgreichen Vater.

Eine Reihe, die sich beliebig erweitern ließe. So ziemlich alle erdenklichen Genre-Gänge sticht Regisseur Peter Chelsom an, der bereits mit der Komödie Hear My Song verblüffte. Dabei verläuft er sich nicht in den Flözen, sondern führt die Handlungstränge, Episoden und Sequenzen mit leichter Hand zusammen und ebenso leicht wieder auseinander. Wie in der ersten Szene die Kamera, torkelt den ganzen Film über die Wahrnehmung auf hoher See – taumelnde Bilderwelten zwischen den Ozeanen.

Wo Chelsom in Las Vegas noch in die bekannte Kerbe von Straßenreklame und Luxus-Empfängen taucht, so verschafft ihm die genaue Kentniss seiner Geburtsstadt Blackpool einen intimen Blick auf den Spleen der Bewohner dieser Amüsiermetropole, einer abgeratzter Ausgabe von Las Vegas.

Volker Marquardt

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