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Im Sog des Fleischkönigs

■ Ruth Berghaus inszeniert Brechts Heilige Johanna am Thalia-Theater

Büchner, Schiller, Brecht. Jeweils ein frühes Stück der drei Autoren wollte Ruth Berghaus mit dem Bühnenbildner Eric Wonder am Thalia-Theater realisieren. Mit Büchners Danton fing die Trilogie 1989 an. Einen Brecht hat Ruth Berghaus auch schon am Thalia herausgebracht, Im Dickicht der Städte, 1991. Nur mit dem Schiller – geplant waren die Räuber – klappt es jetzt nicht. Statt dessen hat am kommenden Sonnabend Die heilige Johanna der Schlachthöfe, der zweite Brecht also, in der Inszenierung von Ruth Berghaus am Thalia-Theater Premiere.

Erstens Brecht, zweitens Brecht, drittens Büchner, viertens kein Schiller; ist das die aktuelle Klassikerhitliste der Brecht-Schülerin Berghaus? Nein. Die Gründe, die Ruth Berghaus im Gespräch anführt, Schiller zugunsten Brechts zu kippen – „vor allem wegen der Schauspieler“ –, entspringen keiner prinzipiellen Wertung. Und ungefragt setzt sie Brecht zu den Räubern in Beziehung. Die Auseinandersetzung zwischen dem Fleischkönig Pierpont Mauler und Johanna ähnele dem Kampf zwischen Franz und Karl Moor. Überhaupt entstünden Klassiker stets an den „Nahtstellen der großen Zeiten“. Schiller stehe dabei – „weit mehr noch als Goethe“ – an der Nahtstelle zwischen Feudalismus und Bürgertum, Brecht an der zwischen Bürgertum und sozialistischer Gesellschaft. So bleiben die Themen, die die Klassiker setzen – sei es die Frage der Freiheit, sei es das Nachdenken über soziale und ökonomische Fragen –, immer aktuell. Wobei Ruth Berghaus betont, daß das Spannende an Brecht vor allem die Widersprüche seien.

„Wie weit kann das Individuum Individuum bleiben, sowie es in den Sog der Wirtschaftsprozesse kommt?“ Das ist für Ruth Berghaus das Generalthema des Stückes. Sowohl Johanna als auch Mauler kommen mit den ihnen zugeordneten Institutionen nicht zurecht. Johanna kann ihren Missionsdrang nicht in den Rahmen der Schwarzen Strohhüte (einer Parodie der Heilsarmee) integrieren; Mauler will sich von der Börse lösen und kann es nicht, ihm ist das Geschäft längst zur zweiten Natur geworden. Insofern ist Brechts Johanna in der Lesart von Ruth Berghaus ein Stück über die individuelle Auseinandersetzung mit den Institutionen. Außerdem habe Brecht, so Berghaus, die Parodie eines idealistischen, noch auf Veränderbarkeit der Menschen setzenden Klassikers geschrieben. Und schließlich beinhalte die Johanna natürlich auch eine Liebesgeschichte. Bleibt die Frage, warum sich Ruth Berghaus für frühe Stücke interessiert. Nun, da versteckten sich die Autoren noch nicht: „Man erfährt mehr über sie.“

Dirk Knipphals

Thalia-Theater: 10. und 21. Juni, 20 Uhr sowie 18. Juni, 19 Uhr

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