Berliner Szene : Im Schusterjungen
Eisbein Hawaii
Neulich nach dem Kantinenlesen waren wir noch im Schusterjungen. Das ist die letzte Altberliner Kneipe in der Danziger Straße. Die Speisekarte ist laminiert, und das Essen schmeckt wie früher. Manchmal sitzen ein paar Nazis am Nebentisch. Die meisten Gäste sind Touristen.
Wir bestellen Bauernfrühstück mit und ohne Speck, Heringsfilet mit Salzkartoffeln, einen Gurkensalat und Schnitzel mit Bratkartoffeln statt Pommes, wofür wir uns sehr entschuldigen. In solchen Etablissements sollte man immer Respekt vor dem Personal haben. Falls der Service auch noch so ist wie zu Ostzeiten. „Ditt is ja nischt“, sagt die Kellnerin, „vorhin hatten wir eenen Tisch mit Amrikanan hier, die wollten ihr Eisbein mit Käse überbacken haben. Da hab ick denn doch jesagt, ditt jeht nich. Irgendwann is auch ma juut. Morgn kommt eena und bestellt Eisbein Hawaii.“
Ich erzähle ihr, dass Paul und ich letzte Woche in Venedig waren, nachgeholte Hochzeitsreise. Am ersten Abend saßen in unserem Restaurant am ersten Tisch laute Schwaben, am zweiten laute Amis, dann wir und neben uns Japaner, die kein Wort gesagt haben, sondern nur jeden Gang ihres Menüs mit riesigen Fotoobjektiven fotografiert haben. Als die Fischplatte kam, ist der Amerikaner vom Tisch rechts aufgestanden, um uns herumgelaufen und hat mit seinem Handy ein Bild davon gemacht. Vom Essen der anderen. Ich dachte echt, ich spinne. „You know, how those Americans are“, sagte er, als er sich wieder hinsetzte. Als ich lachte, fügte er hinzu: „That was a joke.“
„Ham Sie sonst noch’n Wunsch?“, fragt die Kellnerin im Schusterjungen. Ich schüttele beschämt den Kopf. Es gibt doch nichts Nervigeres als irgendwelche Labertaschen als Gäste, die das Personal zutexten und die Leute von der Arbeit abhalten. Peinlich!
Lea Streisand
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen