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Im Mutterleib

■ Wer ist das Monster– Du oder ich porträtiert Niki de Saint Phalle

„Die Männer in meinem Leben, diese Bestien, waren meine Musen. Das Leiden und meine Rache an ihnen – davon zehrte viele Jahre meine Kunst.“ So legt die 65jährige Künstlerin Niki de Saint Phalle in Peter Schamonis Film ihre Motivation offen. Der auf Künstler-Dokumentationen spezialisierte Filmer bietet in Wer ist das Monster – Du oder ich einen komplexen Einblick in die Welt der Niki de Saint Phalle. In der Dokumentation und den Ausschnitten aus eigenen, zwanzig Jahre älteren Kurzfilmen und Filmen der Künstlerin wird aus dem disparaten Material die bemerkenswerte Biographie einer obsessiven Frau sichtbar. Man erkennt, wie erst Wut, dann Schmerz, dann Freude zu Kunstwerken gerinnen.

In den Sechzigern ist die in Amerika lebende Französin – deren Name keineswegs eine Kunstschöpfung ist, sondern als Familienname bis zu den Kreuzzügen zurückgeht – geradezu ekstatisch von Waffen fasziniert. Ihre Bilder, die „Tirs“, entstehen durch Beschuß mit Revolvern, Gewehren oder kleinen Kanonen. Sie führt einen symbolischen Krieg gegen die Verletzungen ihrer Jugend: Familie, Vater, Klosterschule. Sie beteiligt sich am Anti-Atom-Happening in der Wüste von Nevada und arbeitet mit Robert Rauschenberg, Daniel Spoerri und Jean Tinguely.

Doch 1965 kommt sie von der Destruktion des Männlichen zur Verherrlichung des Weiblichen: sie beginnt die „Nanas“ zu bauen, bunte, dicke, überdimensionale Frauenfiguren, die ihr Markenzeichen werden. In Stockholm wird „Hon“, eine Figur der großen Mutter, von hunderttausend Besuchern begangen. Niki de Saint Phalle bezeichnet sie als die „größte Hure aller Zeiten“ und behauptet, durch die Wirkung des Kunstwerks sei die Geburtsrate in Stockholm deutlich gestiegen. Physisch ruiniert sich die Künstlerin im ständigen Arbeiten mit Polyester durch die Kunststoffdämpfe die Lungen, psychologisch kommt sie mit sich ins Reine: Nach fortgesetztem rituellem Vatermord wird hier die Mutter zur Kathedrale.

Später wird sie gar im Inneren der Mutter leben, in ihrem Tarotgarten in der Toskana. Dort hat sie seit 1978 das große Arcana, die 22 Hauptbilder des Wahrsagespiels, in bewohnbare Großplastiken und symbolische Architekturen umgesetzt. Im Detail oft nah am Kitsch, ist das Ganze durch grenzenlose Phantasie ein Gesamtkunstwerk, wie es bisher noch keine Künstlerin realisierte. In den bunt mosaizierten Oberflächen bricht stets ein freundliches Glitzern die Grenze zwischen Realität und Märchen und überstrahlt die durchaus präsenten Reste des untergründigen Horrors. Hajo Schiff Abaton

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