: Im Kino: D.O.A.
■ Originelles Mordmotiv
Ein Mann betritt eine Polizeiwache und sagt, daß er einen Mord anzeigen will. „Wer wurde ermordet?“, fragt der Polizeibeamte. „Ich“ antwortet der Mann.
D.O.A. steht für Death On Arrival, aber bevor der Literaturprofessor Dexter Cornell an dem langsam wirkenden Gift stirbt, kann er den Polizisten noch in einer langen Rückblende erzählen, wer es ihm in den Whisky gekippt hat, und wie er in den letzten 24 Stunden seines Lebens seinen eigenen Mord aufklärte.
Die ersten Szenen des Films sind Schwarzweiß, erst bei der Rückblende wird das Bild farbig und auch die verwinkelte Erzählstruktur, in der es später noch Rückblenden in der Rückblende geben wird, ist ein Stilmittel des klassischen Film noir.
„D.O.A.“ ist das Remake eines Films dieses Genres, der 1949 gedreht wurde, und an den sich nur noch wenige Filmkultisten erinnern. Die englischen Videomacher Rocky Morton und Anabel Jankel haben mit dem Drehbuchauthor Charles Pogue, der auch das Script für das geschickt aufpolierte Remake des Horrorfilms „Die Fliege“ geschrieben hat, die düstere Stimmung des Film noirs beibehalten - und der Geschichte einen neuen Dreh gegeben, durch den einem nicht der leicht abgestandenene Geruch, der Remakes gewöhnlich auszeichnet, in die Nase steigt. Die Mischung der hektischen Ästethik der Vidioclips mit den expressionistischen Einstellungen des Film noir geben dem Film eine faszinierende Spannung auch in den Bildern. „Es hätte keinen Sinn gehabt, etwa „Casablanca“ oder „The Wizard of Oz“ verbessern zu wollen, aber in diesem Fall sah ich Möglichkeiten für dramaturgische Verbesserungen“ sagt Pogue.
Dennis Quaid, der ewige Sunnyboy Hollywoods, ist in der Rolle des Opfers sehr überzeugend gegen seine Typ besetzt, obwohl er bis zum letzten Atemzug charmant bleibt. Er deckt einen vertuschten Skandal auf, der ganz den Konventionen des klassischen Kriminalfilms entspricht, mit einer feudalen Villa, einem mordenden Chauffeur, Inzucht und Korruption. In diesser Welt bekommen wir auch die Lady noir par exellence zu sehen: Charlotte Rampling mit eisigem Blick, immer in schwarz gekleidet und meist mit dem Colt in der Hand, noirer gehts kaum noch - aber in dieses Wespennest sticht Cornell nur zufällig, das Motiv für seinen Tod sind nicht die gewöhnlichen Lüste nach Geld, Sex oder Macht, sondern eine dunkele literarische Leidenschaft.
William Faulkner hat einmal gesagt, für eine gute Formulierung würde er seine Großmutter umbringen. In D.O.A. ist dieses Bonmot konsequent zu Ende gedacht worden. Der Literaturdozent Dexter Cornell wird für einen Roman umgebracht. Im Amerika von heute, das Kultur zugleich so hoch bewertet und sie permanent vernichtet, ist es gut möglich, daß Menschen für einige unsterbliche Sätze töten würden: diese These ist die originellste Lösung eines „whodunnit“ Plots, die mir eifrigem Krimileser seit langem untergekommen ist. Aber Dexter Cornell hilft die Aufklärung seines Mordes nicht mehr, zum Ende des Films hin verschwinden die Farben langsam, das Bild ist wieder monochrom, und während Cornell aus der letzten Einstellung wankt, wird die Leinwand immer schwärzer. Wenn ein Film so anfängt, ist ein Happyend unmöglich.
Wilfied Hippen
Leider im UT, Streichholzschachtel Nr.5 - 13.00, 15.30, 18.00, 20.30 Uhr
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