: Im Handstreich erledigt
Betr.: Rückfall unter Bundesniveau, taz bremen vom 14.6.2002
Nicht wirklich schlimm sind die Fragen, die die Vertretungen der Journalisten im Rundfunkrat von Radio Bremen stellen. Nur ein bisschen lästig. Die fragen immer wieder danach, ob nun gar keine Kommentare mehr gesendet werden, ob die Nachrichten nicht ein bisschen weniger provinziell und bunt sein dürfen, die Moderationen nicht einen Hauch anspruchsvoller, die Wortbeiträge eine Idee länger und substanzieller sein müssten und der Anteil der Frauen auf Führungspositionen eine Prise höher.
Und was macht man mit lästigen Fragestellern und Mahnern? Abschaffen! Am besten per Gesetz. Das ist sauber und duftet nach Demokratie. Die große Koalition hat das im Handstreich erledigt. Ihr waren zu viele Gewerkschaftsvertreter im Rundfunkrat. Also haben sie deren Sitze zusammengestrichen. Die Mitbestimmung des Personalrates schien ihnen auch ein wenig lästig. Also haben sie sie eingeschränkt.
Nun meint die SPD, die Änderungen seien ja alle nicht weltbewegend, und die CDU säuselt mit treuem Augenaufschlag, das wäre doch alles längst bekannt gewesen. So viel heilige Rechtschaffenheit verschlägt einem den Atem. Schließlich haben sie per Gesetz beschlossen, dass die gewerkschaftlich organisierten Journalisten nicht mehr zu den gesellschaftlich relevanten Gruppen gehören – denn aus den Vertretungen dieser Gruppen soll sich der Rundfunkrat zusammensetzen. Vielleicht sind bundesweit organisierte Journalistenverbände ja wirklich nicht wichtig genug, um den Intendanten beraten und die Einhaltung der Programmgrundsätze mit überwachen zu dürfen. Mag sein. Aber welchem Ziel soll es dienen, wenn Deutsche Journalisten-Union (dju) und Journalistenverband (DJV) nicht mehr im Rundfunkrat von Radio Bremen vertreten sind? Sollen ausgerechnet die nichts mehr sagen dürfen zu Einschaltquoten, Degeto-Rechten, journalistischen Qualitätskriterien und Umstrukturierungen?
Stattdessen erhielt die Bremer Landespressekonferenz einen Sitz. Das ist ein Arbeitsinstrument für in Bremen tätige Journalisten und eben keine gewerkschaftliche Interessenvertretung. Sollte deren Sitz ein Trostpflaster sein für die Beschneidung der gewerkschaftlichen Mitbestimmung?
Die Politiker wollten, so hieß es, die Handlungsfähigkeit von Intendant und Sender stärken. Dabei hatten die beiden gewerkschaftlichen Journalistenvertretungen gar nicht die Macht, diese einzuschränken. Aber bisher durften auch sie kritische Fragen stellen, fachkompetente Hinweise und inhaltliche Empfehlungen geben. Sollte so viel Unabhängigkeit manchem schon zu viel Demokratie gewesen sein?
Viola Falkenberg, stellvertr. Vorsitzende des Hörfunkausschusses und Mitglied des Rundfunkrates für die Deutsche Journalisten Union (dju)
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