■ Mit der Treuhand auf du und du: Im Fadenkreuz
Berlin (taz) – Was will der Treuhanduntersuchungsausschuß? Untersuchen natürlich. Aber was? Der Auftrag des Gremiums, das von der SPD- Fraktion beantragt wurde, ist denkbar global. Nicht nur soll der Frage nachgegangen werden, ob und inwieweit die Bundesregierung ihre Aufsichtspflicht über die Berliner Behörde verletzt hat. Ans Tageslicht soll auch kommen, ob mehr Arbeitsplätze hätten gerettet werden können, und inwieweit die Treuhand oder ihre Mitarbeiter am Zusammenbruch von Betrieben Schuld waren. Ein riesiges Netz von Beteiligten müßte also unter die Lupe genommen werden: Die Breuel- Behörde und ihre Leute, das Finanz- und Wirtschaftsministerium, alte und neue Geschäftsführer, Gutachter, Investoren – wahrlich ein Forschungsgegenstand von gigantischem Ausmaß.
Aber die Abgeordneten, die sich heute zum dritten Mal treffen, haben nicht viel Zeit. Schon im September nächsten Jahres müssen sie ihren Abschlußbericht vorlegen, denn kurz danach ist die Legislaturperiode zu Ende. Ob es danach noch einmal weitergeht, steht in den Sternen.
Beim Sekretariat des Ausschusses gehen bergeweise Anträge auf Beweismaterial und Zeugenladungen ein. Heute werden die 13 Abgeordneten von CDU/CSU, SPD und FDP – Bündnis 90/Grüne und PDS stellen jeweils ein nichtstimmberechtigtes Ausschußmitglied – beschließen, wen sie als nächstes anhören wollen und welche Akten nach Bonn geschafft werden müssen. Insbesondere die PDS hat Material beantragt, das einen ganzen Saal füllen könnte.
Politisch brisant aber wird am Nachmittag die Entscheidung über eine scheinbar formale Frage: Welchen Status hat die Treuhand selbst in diesem Ausschuß? Der Justitiar der Breuel-Behörde hat in einer langschweifigen Ausführung dargelegt, daß seine Mandantin als Betroffene behandelt werden müsse und nicht gleichsam auf der Anklagebank plaziert werden dürfe. Ihre Vertreter sollten das Recht haben, Fragen zu stellen und Vorschläge zu machen. Das ist für die Regierungsvertreter eine wahrscheinlich nicht gerade angenehme Vorstellung, könnte sich doch erweisen, daß das Finanz- und Wirtschaftsministerium sich bei vielen Hinweisen der Berliner Behörde taub gestellt hat. Der SPD hingegen ist, schon aus Wahlkampfgründen, vor allem daran gelegen, das Versagen der Bundesregierung zum Thema zu machen. Sie protestierte schon gegen einen möglichen „Maulkorb“ für die Treuhandmitarbeiter. Die Abstimmung heute ist eine wichtige Vorentscheidung, in welche Richtung es in dem Ausschuß weitergehen wird. Annette Jensen
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