piwik no script img

Archiv-Artikel

Im Biotop an der Autobahn

In Hamburg brüten so viele Störche wie seit 30 Jahren nicht mehr, selbst zwischen Hochhäusern. Umweltschützer werten das als Erfolg ihrer Arbeit. Streit um zu niedrige Wasserstände in den Marschengräben. In Niedersachsen stabile Zahlen

Der Storch braucht eine vielfältige Speisekarte, denn er schluckt Beute unzerkaut, seine Jungen schaffen keine Maus

aus HamburgGERNOT KNÖDLER

Die Störche klappern wieder: Die Hamburger Sektionen der Umweltverbände Nabu und BUND zeigten sich gestern höchst erfreut, dass ausgerechnet in ihrer Großstadt so viele Störche brüten wie seit 30 Jahren nicht mehr, und das nicht nur in den weitläufigen Vier- und Marschlanden an der Elbe. Die Umweltschützer werten das als Erfolg ihrer Arbeit. Allerdings ringt der BUND weiter mit jenen, die für die Pflege und Regulierung des Grabensystems der Marschenlandschaft verantwortlich sind. Sein Vorwurf: Der Wasserverband hält die Wasserstände niedriger, als es der entsprechende Regionalplan vorschreibt.

Als Erfolgsbeispiel gilt ein neues Brutpaar in dem seit einem Vierteljahrhundert von den Störchen gemiedenen Stadtteil Wilhelmsburg. Der Horst liegt malerisch vor der bunten Hochhauskulisse der Trabantensiedlung Kirchdorf-Süd. Die Autobahn A1, die die Hochhäuser von dem Areal mit dem Horst trennt, sorgt fürs Hintergrundrauschen. Dass sich die Störche trotzdem hier niedergelassen haben, ist dem ehemaligen BUND-Landesvorsitzende Harald Köpke zu verdanken.

„Störche brauchen in der Nähe ihres Horstes ein Biotop“, sagt der Naturschützer. Also hat er den Bau eines Windrades veranlasst, das dafür sorgt, dass eine Kette von Bombentrichtern, die der Krieg im Marschboden hinterlassen hat, ständig voller Wasser steht. Daneben hat er vor sieben bis acht Jahren eine Nisthilfe errichtet. Jetzt kann er von seinem Haus aus die Störche beobachten.

Der Horst steht auf einem zehn Hektar großen Gelände, das die Stiftung Naturschutz Hamburg von der Stadt gepachtet hat und das von den Aktiven des BUND gepflegt wird. Sie räumen kleine und große Gräben frei, so dass sich darin genügend Wasser sammeln kann, um eine reichhaltige Fauna zu beheimaten – etwa den Moorfrosch, dessen Männchen sich in der Paarungszeit blau färbt. Der Storch braucht eine vielfältige Speisekarte, denn er verschluckt seine Beute unzerkaut. Seine Jungen schaffen keine Maus, sie sind auf kleine Amphibien und Regenwürmer angewiesen.

Seit Jahren kämpft die Umweltschutzorganisation gegen die aus ihrer Sicht zu niedrigen Wasserstände in den Gräben. Vor drei Jahren einigten sie sich mit dem Wasserverband auf einen Kompromiss, der als Modellversuch durch Gutachter begleitet wird. Beigelegt wurde der Konflikt dadurch offenbar nicht. „Der Wasserverband macht hier, was er will“, schimpft Köpke. Das zuständige Bezirksamt Harburg müsse den Wasserverband zwingen, die vereinbarten Wasserstände einzuhalten.

Verbandsvorsteher Helmuth Poggensee streitet rundheraus ab, er würde die Vereinbarung nicht einhalten. Die Wasserstände schwankten mit der Tide und müssten innerhalb des Verbandsgebietes unterschiedlich hoch sein, um das Wasser am Fließen zu halten. Wo das Wasser stehe, „verockere“ es, Eisen falle aus. „Da wächst kein Blatt, kein Lurch, kein Fisch“, sagt Poggensee. Im Übrigen dürfe das Wasser nicht zu hoch stehen, damit die Felder bei starkem Regen vor dem Absaufen bewahrt würden. Das System sei „optimal eingestellt“.

Aus naturschützerischer Sicht gibt es daran nach den ersten, vorläufigen Ergebnissen des Monitorings zumindest Zweifel. Diese ließen „erkennen, dass mit den festgesetzten Wasserständen die angestrebte Sicherung der Lebensbedingungen für zahlreiche besonders geschützte Tier- und Pflanzenarten in den Gewässer- und Feuchtbiotopen noch nicht zufriedenstellend gewährleistet ist“, antwortete der Senat auf eine kleine Anfrage der SPD-Bürgerschaftsabgeordneten Monika Schaal.