: Illusionslose, scharfsichtige Reflexion
■ Sommertheater: Mobil-Pegasus-Preis für die US-amerikanische Choreographin Meg Stuart
And the winner is: Meg Stuart and „Damaged Goods“ with No Longer Readymade. Nicht einstimmig, aber mehrheitlich konnte sich die Jury bei der Vergabe des Mobil-Oil-Pegasus-Preises für die beste Produktion des 11. Internationalen Sommertheaters auf die Arbeit der Choreografin aus New Orleans einigen. Wobei es unzweifelhaft war, daß die reduziert choreografierte Erzählung über Ängste, Verstörungen, bestimmende Erinnerungen und zwischenmenschliche Mini-Katastrophen zu den Highlights des Festivals zählte. Im Vergleich mit den beiden zuletzt noch diskutierten Produktionen, Michael Laubs Rough und vor allem Reza Abdohs Quotations From A Ruined City, konnte Meg Stuart die von Hamburger Kulturjournalisten gebildete Jury durch ihre liebevoll und detailliert gearbeitete, homogene Form überzeugen.
In der Begründung der Jury heißt es: „Weit mehr als ein pures Spiel der Formen, Bewegungen und Beziehungen zwischen den Geschlechtern, erweist sich No Longer Readymade als illusionslose, scharfsichtige und treffende Reflexion unserer Krisen-Zeit: Meg Stuart erzeugt Körperzustände von äußerster Intensität und Spannung, in denen sich die Zwänge der Zivilisation, physische Beschädigungen, psychische Verzerrungen und persönliche Obsessionen der Menschen in den Metropolen spiegeln. Dabei findet sie zu einer ungewöhnlichen, wenn nicht neuen Ausdruckssprache im Tanz durch Eliminieren oder Entfesseln einzelner Körperteile, gebrochene Bewegungen und zerstörte Körper-Bilder.
In größter Klarheit, ohne Pose und überflüssiges Beiwerk setzt Meg Stuart ihr Thema – Angst, Gewalt, Ich-Verlust und Verlorenheit – um. Wie sie Musik und Stille braucht, Kontraste von Stillstand und rasender Schnelligkeit, Bild in Beziehungen zu Klang setzt, dabei so reduziert wie möglich inszeniert und dennoch vielschichtig erzählt, gibt ihrem Stück Geschlossenheit. Zudem erweitert sie Tanz um Dimensionen des Schauspiels und Theaters, läßt Einflüsse aus der bildenden Kunst erkennen: eine interdisziplinäre kreative Künstlerin im Sinne der Performing Arts. Sie bewahrt sich als Choreographin, Tänzerin und Darstellerin trotz ihrer pessimistischen Sicht vom Leben und Tanz in dieser Zeit Ironie und eine melancholische Komödiantik.“
Der mit 15.000 Mark dotierte Preis wurde gestern abend an die Choreografin übergeben, welche die siebte Preisträgerin ist. Vor ihr erhielten den Pegasus-Preis Josef Nadj/Theatre Jel aus Frankreich, Jan Lauwers Needcompany aus Belgien, das Sofia Trio aus Ungarn, Michael Simon und Heiner Goebbels aus Frankfurt, der Kolumbianer Alvaro Restrepo und im letzten Jahr das Theaterzentrum Akko aus Israel. tlb
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