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■ „Stern“-RotundenIllusion statt Vision

Daß mit der „Vision“ der Metropole Geld zu machen ist, zeigen seit einigen Wochen die Stern-Rotunden. Der Zuschauerandrang und die nunmehrige Verlängerung zweier Ausstellungen überraschen nicht. Seit in den letzten anderthalb Jahren Büro- und Geschäftshäuser wie am Fließband aus dem Boden gestampft werden, hat das öffentliche Interesse am Bauen zugenommen. Selbst Architektenwettbewerbe und städtebauliche Konkurrenzen, vor Jahren noch die Domäne einer illustren und elitären Fachöffentlichkeit, haben an Nachrichten- und Unterhaltungswert gewonnen.

Die illustrierten Stern-Szenarien mit den sattsam bekannten Wunschbildern künftiger Stadtentwicklung zeigen aber auch die Fehlentwicklung der derzeitigen Planungsdiskussion: Zwischen der guten alten Stadt der Jahrhundertwende und den steinernen Zukunftsvisionen droht die Debatte um die Funktion und die Qualitäten der künftigen Stadt verlorenzugehen. Daß der Streit um Fassaden eine größere Rolle spielt als Überlegungen zu einer bürgernahen, urbanen Nutzungsmischung, hat der Architekturstreit der vergangenen Jahre sinnfällig gemacht: ein Schaukampf um den schönen respektive preußischen Schein, bei dem es allein der Umtriebigkeit des – im Namen einer ansonsten absenten städtischen Öffentlichkeit auftretenden – Senatsbaudirektors zu verdanken ist, daß nicht auch noch die menschliche Dimension der Berliner Bebauung dem Reibach der Investoren zum Opfer gefallen ist. Eine Debatte um das Wie künftiger Nutzung freilich ist ohne eine breite Intervention – jenseits von miefigem Historismus und illusionären Metropolenträumen – nicht durchsetzbar. Noch freilich staunt man lieber, als einzugreifen. Hier rächt sich der Rückzug vieler Planer und Initiativen in die Kleinräumigkeit der Kieze, während die Gestaltung der übrigen Stadt den immer gleichen Juroren, Investoren und Kulissenbauern überlassen wurde. Uwe Rada

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