■ Chinas neue Drohungen gegen Taiwan: Ihr fehlt uns noch zur wahren Größe!
Wer nicht hören will, muß fühlen. Diese pädagogisch schlichte Botschaft tönt gegenwärtig täglich von Peking hinüber zu den ungezogenen Landsleuten in Taiwan, damit die nicht vergessen, wer im Haus das Sagen hat. Gerichtet ist diese Botschaft aber vor allem an die eigene Bevölkerung. Nicht erst, seitdem die Kommunisten 1949 auf dem Festland siegten und die Nationalisten nach Taiwan flohen, gehört die Heimkehr ins Reich zu den wichtigsten Themen des chinesischen Selbstbewußtseins: China kann nur groß und glücklich sein, wenn alle ChinesInnen vereint unter einem guten und klugen Herrscher leben. Das lernen die Kinder seit alters her in der Schule, wo sie von der glorreichen alten Geschichte und Kultur ihres Landes erfahren und von der Schmach, die ihnen die ausländischen Imperialisten und Kolonialisten in den vergangenen zwei Jahrhunderten angetan haben.
Wie anders als durch die Einmischung der ausländischen Mächte ist zu erklären, daß China heute so arm und rückständig ist? Es gibt kaum eine Frage, in der die chinesische Bevölkerung auf dem Festland so wenig zerstritten ist wie in dieser: Groß, wohlhabend und respektiert kann China erst wieder werden, wenn alle Kolonien und „abtrünnigen“ Regionen zurückerobert worden sind. Dies hat auch die kommunistische Partei der Bevölkerung in den vergangenen Jahren immer wieder eingebleut. Und nun, da ihre Herrschaft keine andere ideologische Grundlage mehr hat, muß sie beweisen, daß sie es ernst meint.
Trotz aller Drohungen, Manöver und Scharmützel ist es höchst unwahrscheinlich, daß die Militärs in Peking tatsächlich eine gewaltsame „Befreiung“ Taiwans planen. Die militärischen und internationalen politischen Kosten wären zu hoch, vor allem jetzt, da die Rückkehr Hongkongs nur noch 17 Monate aussteht. Tatsächlich hofft die Pekinger Führung, die taiwanesische Bevölkerung vor den Präsidentschaftswahlen einzuschüchtern und jede Politik in Richtung Unabhängigkeit abzuwürgen. Wahrscheinlich ist auch die Furcht, daß dieses Säbelrasseln plötzlich eine Eigendynamik bekommt und irgendein Idiot plötzlich den Anstoß zu einem wirklichen Krieg gibt, übertrieben. Wirklich gefährlich ist aber die langfristige Wirkung dieser Politik: Nicht nur Taiwan, sondern auch die südostasiatischen Staaten fühlen sich bestärkt, ihre Aufrüstung noch schneller voranzutreiben. Die Waffenexporteure weltweit vernehmen gern die Botschaft. Jutta Lietsch
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