: Ihr Kinderlein kommet
■ BREMINALE: Vorschau auf das Kindertheater: „Faust“, „Die Puppenfee“ und „Wenn Engel klopfen“
Mit schwersten Vorurteilen behaftet, besuchte ich im Mai dieses Jahres im Rahmen des Bremer Schülertheater-Festivals den Faust der Grund-und Realschule Sottrum, gespielt von mehreren sechsten Klassen, zu sehen heute um 11 und 15 Uhr im Schuppen und völlig zu Unrecht im Rahmen des Kinderprogramms der Breminale. Das einzige, was ich damals zu bemängeln hatte, war die Länge des Stücks: Über zwei Stunden und ohne Pause.
Zwar ist die vom Theaterleiter selbstgeschriebene Fassung in Versform witzig und spannend genug, um Erwachsene und Kinder in Bann zu ziehen, doch machte sich in den letzten 45 Minuten beträchtliche Unruhe unter den jüngeren ZuschauerInnen breit. Schade: es lag nicht am Stück. Daswar nämlich eine mitreißende Version des alten Stoffs zu sehen: Dem Spielleiter war es gelungen, die Rollen mit Kindern zu besetzen, die ihre Rollen wirklich waren. In der Sottrumer Faust-Version, die der des Engländers Marlowe sehr ähnlich ist, begeisterte vor allem der „dumme Kasper“. Der spielte seine Rolle mit einer Genauigkeit und Pointiertheit, die ihm am Ende eine „standing ovation“ einbrachte. Nicht nur mit dem „Kasper“ weichen die Sottrumer von der altbekannten Goethe-Version ab: Die Gretchen -Tragödie fehlt völlig, und nicht “...Augenblick, du bist so schön...“ ist aktuell, sondern genau vierundzwanzig Jahre, die Faust gegeben sind und von denen er noch um die Hälfte betrogen wird.
Mit viel Phantasie sind auch Kulisse und Kostüme gestaltet
-das ganze Stück erscheint mir im Nachhinein als Rausch in Farbe und Bewegung. Bleibt nur zu hoffen, daß die Gruppe dazugelernt hat und den Mut aufbringt, den ZuschauerInnen eine Pause zu gönnen.
Ebenfalls auf dem erwähnten Festival bekam ich Die Puppenfee
zu sehen. Die Theatergruppe der Schule für geistig Behinderte am Wandrahm hat hier zur Ballettmusik von J. Bayer eine Geschichte im Spielzeugladen erdacht, die allen SpielerInnen einen kleinen Solo-Auftritt bietet. So schweben abwechselnd Teddybär, Clown und Prinzeßchen über die Bühne. Ein sehr liebes Stück, auch für kleine Kinder bestens geeignet, da ohne viel Worte und nur dreißig Minuten lang. Am Freitag, 11 Uhr, im Schuppen.
Ebenfalls um 11 Uhr und im Schuppen ist am Sonntag das Kindertheater Metronom mit Wenn Engel klopfen zu sehen. Das ist die Geschichte des Herrn Konrad, der sich seit Jahren auf seine Expedition vorbereitet: Tagein, tagaus studiert er Landkarten und Atlanten.
Vermutlich wäre es bis in alle Ewigkeit beim Studieren geblieben, würde da nicht eines Tages eine junge Dame an seine Tür pochen: Angelina Reiseleiterina ist gekommen, um mit Herrn Konrad die heißersehnte Reise anzutreten. Zusammen besuchen die beiden nun Nordpol und Sahara, und am Ende ist dem Herrn Konrad die Reiseleiterina so ans Herz gewachsen, daß er sich nur schwer trennen kann...
Als ich die Premier dieses Stücks im Schlachthof sah, war ich mit einem vierjährigen Mädchen dort. Obwohl sie alles andere als unterdurchschnittlich intelligent ist, konnte sie mit dem Stück wenig anfangen. Die düsteren Szenen ängstigten sie, der Schauspielerin nahm sie den Engel nicht ab, die Zusammenhänge verstand sie nicht. Außerdem basiert der Witz der Geschichte fast ausschließlich auf sprachlichen Pointen und Wortspielen.
Trotzdem ein schönes Stück, das bei sechs-und siebenjährigen Kindern gut ankam. Obwohl „für Kinder ab vier“ deklariert, ist es für diese Altersgruppe nicht so gut geeignet.
Anja Herholz
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