: Ideenwächter haben ihren Preis
■ Das Patentamt ist Anlaufstelle für viele Einzelerfinder / Oft scheuen Tüftler aber hohe Gebühren oder Entwicklungskosten für Produkte / Hauptstadt der Erfinder ist Berlin nicht
Er ist klein, gelb und klebt – der haftende Notizzettel gilt als unverzichtbares Requisit in jedem Büro, das den Chef an die Rosen zum Hochzeitstag erinnert oder dem Liebsten am Küchentisch zu Hause Grüße ausrichtet. Die Idee dazu hatte ein pfiffiger Berliner. Miron Padowicz, Inhaber einer Schreib- und Spielwarenfirma, brauchte sechs Jahre und ungefähr 450.000 Mark, um die gelben Haftnotizblätter zu entwickeln. Mit der Erteilung des europäischen Patents wollte er über die Grenzen Deutschlands hinaus verkaufen.
Einzelerfinder wie Padowicz machen bei der Gesamtzahl von angemeldeten und erteilten Patenten nur ungefähr fünfzehn Prozent aus. Der Großteil kommt von groß- und mittelständischen Industrieunternehmen. Trotzdem, so Guy Hilgers, Leiter der Bibliothek der Dienststelle Berlin des Deutschen Patentamtes, sind Einzelerfinder „nicht die unwichtigeren“.
Im letzten Jahr wurden in den alten Bundesländern fast 45.000 Patente angemeldet, 17.000 davon rechtskräftig erteilt. Baden-Württemberg liegt im Vergleich mit den anderen Bundesländern mit gut 8.000 Patentanmeldungen an der Spitze. „Berlin ist zwar nicht das Schlußlicht“, so Hilgers, „aber ziemlich weit unten.“ Nur etwa 900 Patentanmeldungen kamen im vergangenen Jahr aus der Hauptstadt. Die Dienststelle mit Bibliothek und Auskunftsstelle ist Anlaufpunkt für viele Einzelerfinder. 1992 kamen fast 5.000 Ratsuchende, um sich etwa den Unterschied zwischen Patent und Gebrauchsmuster erklären zu lassen.
Mit etwas Glück trifft der Unkundige, der seine Erfindung gleich mit ins Patentamt bringt, auf Christa Tietz, die ein Faible für „ausgeflippte Leute“ hat und sich dagegen wehrt, „diese in der Öffentlichkeit lächerlich zu machen“. Obwohl sie im letzten Jahr zusammen mit ihren KollegInnen 19.000 mündliche und schriftliche Anfragen beantwortet hat, beklagt sie „ein starkes Nachlassen der Kreativität“. Die hohen Entwicklungskosten und Gebühren, so glaubt sie, schrecken die Erfinder ab.
Oftmals ist für Einzelerfinder mit begrenzten finanziellen Mitteln das Gebrauchsmuster, das sogenannte „kleine Patent“ interessant – zumindest auf den ersten Blick. Das Gebrauchsmuster ist das kostengünstigste Erfindungsschutzrecht, das man beim Deutschen Patentamt erwerben kann, so Christa Tietz. Die Anmeldung für ein Gebrauchsmuster – den Lachsack beispielsweise, mit dessen Erfinder vom Tegernsee Christa Tietz regelmäßig korrespondiert, – kostet nur 50 Mark. Die Anmeldung zum Patent dagegen das Doppelte. Das Gebrauchsmuster ist zwar auch ein Erfindungsschutzrecht, erklärt Christa Tietz wahrscheinlich zum tausendstenmal den gleichen Sachverhalt, das aber nur für Neuerungen an Gegenständen gilt. Nicht für chemische Verfahren und mit dem Boden fest verbundene Anlagen – die gehören zum Patentschutz. Das Gebrauchsmuster gilt im Vergleich zur 20jährigen Laufzeit des Patents normalerweise nur drei Jahre. Eine Verlängerung der Schutzdauer um weitere drei Jahre ist möglich – gegen eine Gebühr von 350 Mark. Verkauft sich der Lachsack nach sechs Jahren immer noch gut, bekommt man für 600 Mark eine Verlängerung um weitere zwei Jahre. Wenn den Käufern nach acht Jahren immer noch zum Lachen zumute und der Erfinder gut bei Kasse ist, gibt es eine allerletzte Verlängerung um zwei Jahre (900 Mark). Gebrauchsmuster müssen zwar wie Patente neu sein und eine „Erfindungshöhe“ aufweisen, so Tietze, jedoch werden diese Voraussetzungen vor der Eintragung nicht geprüft.
Einen Nachteil gibt es aber doch: der Inhaber des eingetragenen Gebrauchsmusters kann zwar wie der Patentinhaber über sein Schutzrecht verfügen, er muß jedoch immer damit rechnen, das Schutzrecht zu verlieren. Meldet der Erfinder dann doch lieber ein Patent an, kostet das viel Geld: 400 Mark für den Prüfungsantrag und 200 Mark für Recherchen, die das Patentamt anstellt, wenn der Anmelder nicht ganz sicher ist, ob seine Erfindung auch wirklich neu ist. Für die Patenterteilung müssen dann weitere 150 Mark berappt werden. Und nicht zu vergessen die Jahresgebühren: vom dritten Patentjahr an werden sie jährlich fällig und staffeln sich bis 3.300 Mark im zwanzigsten Patentjahr.
Vater und Sohn Padowicz allerdings müssen diese hohen Gebühren nicht bezahlen. Ihr Patent ist bereits abgelaufen, Herstellung und Vertrieb der Notizblätter sind eingestellt, der 82jährige Senior im Ruhestand. Nur in Israel sind „seine“ gelben Blättchen noch zu bekommen. Als Padowicz mit der Herstellung und dem Verkauf bereits angefangen hatte, wollte ein weltweit bekannter amerikanischer Großkonzern Einspruch erheben gegen sein geprüftes und erteiltes Patent. Der Konzern benutzte in seinen Labors ebenfalls haftende Zettelchen. Schweren Herzens verzichtete Padowicz auf den Versuch, den Verkauf der Notizblätter durch den amerikanischen Riesen zu stoppen. Er hätte bei Gericht mehr als eine halbe Million Dollar hinterlegen müssen. Aber für Padowicz junior steht „ganz eindeutig“ fest: „Wir hatten das Produkt zuerst auf dem Markt!“ Barbara Bollwahn
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