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„Ich hasse Caipirinha“

Gestern schüttelte sich die Deutsche Barkeeper-Union zur Cocktail Meisterschaft 2000 Trendgetränke ohne Limonen

Betsy Flanagan, eine Soldatenwitwe, unterhielt 1779 eine Gaststätte in Yorktown, die hauptsächlich von französischen Offizieren besucht wurde. Die Franzosen liebten es, Betsy mit einem Engländer zu necken, der in der Nachbarschaft Hühner züchtete. Als Betsy von dem Gerede genug hatte, ging sie kurzerhand zur Hühnerfarm des Nachbarn und riss den Hähnen Schwanzfedern aus. Den geschwätzigen französischen Offizieren servierte sie ein Mixgetränk, das sie, um der Lästerei über die angebliche Sympathie zu dem Engländer endgültig ein Ende zu machen, mit den Federn schmückte. Seither heißen dekorierte Mixgetränke „Cocktails“, auf Deutsch Hahnenschwanz.

Solche Geschichten erzählt die Deutsche Barkeeper-Union, wenn sie sich zur Deutschen Cocktail Meisterschaft 2000 im „Maritim pro Arte Hotel“ trifft – ein bemühter Hinweis, dass es auch eine Cocktail-Geschichte vor dem Caipirinha gegeben hat. Der Beruf des Barkeepers ist langweilig geworden. Alle wollen immer nur Caipirinha trinken. „Ein Himmelsstürmer unter den Trendcoctails“, sagt Jürgen Falcke knapp. Der Ehrenpräsident des Verbandes macht ein unglückliches Gesicht. Aber bei der Cocktail Meisterschaft 2000 können die Barkeeper wenigstens ihren Kollegen beweisen, dass sie auch was anderes können als Limonen schneiden.

Ein feierlicher Anlass, zu dem sich die Tresenkräfte ihre Verbandsuniform angezogen haben: kapitänsmäßige Jackets mit Goldknöpfen und gelbe Krawatten. Die älteren Kollegen tragen häufig auffällige Schnurrbärte. Das sieht seriös aus. Fast jeder hat ein Glas in der Hand. Manche rauchen Zigarre. Für die Bar-Atmosphäre steht Knabberzeug auf den Tischen. Ein Pianist spielt sanfte Hotellobby-Musik. Die Barkeeper tauschen Rezepte aus, erzählen sich lustige Gäste-Geschichten oder „welcher Prominente sich bei einem gerade wieder die Kante gegeben hat“, sagt ein junger Barmann.

Vorne auf der Bühne müssen 68 Wettbewerbskandidaten selbst erfundene „After Dinner Drinks“ mixen. Eine Frau mischt eine „Yellow Daisy“, ihr Konkurrent tritt mit giftgrünen Getränken an. Ernste Jury-Mitglieder stehen daneben und füllen einen komplizierten Kriterienkatalog aus. Wer keine Eisschaufel benutzt, länger als sieben Minuten zum Mixen braucht oder die Früchtegarnitur mit der Hand berührt, bekommt Fehlerpunkte.

Die fertigen Drinks werden nummeriert und in einen abgelegenen Raum am anderen Ende des Hotels gebracht. Dort sitzt eine zweite Jury, die die Getränke nach Geschmack, Duft und Aussehen bewertet. Schön sind die Namen der Cocktails: Es gibt „Aischas Dream“, einen „Red Kiss“ mit Johannisbeeren und einen „Jungle Bird“. Der Gewinner des Wettbewerbs darf nächstes Jahr zur Barkeeper-Weltmeisterschaft nach Brasilien fahren.

In einem anderen Raum des Hotels steht ein aufgeregter Haufen Barkeeper herum, die sich mit Flaschenpolieren auf ihren Auftritt vorbereiten. Der Boden ist mit Plastikfolie ausgelegt, damit es keine Getränkeflecken auf dem Teppich gibt. Ein junger Barkeeper aus dem Grand Hyatt sagt: „Ich hasse Caipirinha.“ Anklagend hält er seine Hand nach oben, an der er schon Schwielen hat, vom Limonenstampfen.

Die Kunst sei freilich nicht nur der originelle Cocktail, erzählt Ehrenpräsident Falcke. Ein professioneller Barkeeper zeichne sich durch sein Kommunikationstalent aus. „Ein introvertierter Barmann kommt nie gut an. Der verzieht sich in die Ecke und bleibt da auch.“ Falcke holt sich ein Bier. KIRSTEN KÜPPERS

Hinweis:Die Barkeeper erzählen sich, welcher Prominente sich gerade wieder die Kante gegeben hat

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